Der fünfte Thron - Part 5

Story by Larc on SoFurry

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#6 of Der fünfte Thron

Nach mittelschwerem Writers block und störenden Dingen im RL, geht es nun endlich weiter! Dieser Part ging mir nicht so leicht von der Hand und ich habe oft ändern und überarbeiten müssen. Er verlässt den Hauptstrang der Geschichte und stellt die wichtigsten "Nebencharaktere" vor.

Hoffentlich haben meine lieben Mitleser noch nicht gänzlich den Faden verloren und werden durch den Szenenwechsel verwirrt. Ebenso hoffe ich, dass euch auch dieser Teil der Geschichte gefällt.

Begleiten wir nun Lya, eine engagierte Siamkatzendame, den jungen Wolf Vilkas mit schamanischen Wurzeln, der seinen Stamm einst verließ und Bertha, eine Kuh und Tochter eines Schmiedes, die in der Garde dient zu einer Krisentagung des Rates.

Anmerkung: Ich beschrieb in Part 3 bei Amahrs Ankunft die aktuelle Zeit mit den Stunden vor dem Sonnenaufgang. Werde dies nachträglich auf Abenddämmerung ändern, weil es mir besser in den weiteren Verlauf der Geschichte passt.?

Viel Spaß!


Part 5 - Augen die nicht sehen

© Larc

„Wie ist die Lage an der Front Leutnant?"

Die Stimme des Ratsmitgliedes klang besorgt, doch sachlich und richtete sich an die Person neben ihr. Lya war eine Siamkatzendame in ihren besten Jahren. Die Schwelle der frühesten Jugend hatte sie bereits seit ein paar Sommern überschritten, doch ihr Enthusiasmus und Engagement schien noch immer so ungezügelt wie früher. Schon früh im Leben kannte sie ihr Ziel. Sie wollte einen Posten im hohen Rat ihrer Heimatstadt Wisperwind einnehmen und ihr Leben dem Dienst an der noch recht jungen Gesellschaft stellen, deren Frieden seit ein paar Generationen anhielt. Der Rat bestand aus Abgeordneten der unterschiedlichsten Kulturen, die vom Volk gewählt und dazu auserkoren waren, die individuellen Interessen der unterschiedlichen Völker zu vertreten und gemeinsam Kompromisse, Regeln und Gesetze zu erdenken, die der Gesamtheit dienlich waren.

Die Siedler, die sich von ihren Stämmen lösten und in das flüsternde Tal am Fuße der Berge zogen, kamen alle aus dem selben Grund. Sie wollten in der Abgeschiedenheit der Wälder eine sichere Bleibe und Schutz vor den Kriegen und Konflikten ihrer Völker suchen. Das Tal wurde zum Schauplatz der ersten friedvollen Begegnungen der unterschiedlichen Arten. Es dauerte lange bis diese Vertrauen zueinander schöpften und begannen, ersten losen Tauschhandel zu betreiben. Zu groß war die Barrikade der mangelnden Kommunikation und gegenseitigem Verständnis. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Sprache, die gemeinsam im Tal gesprochen wurde und es formten sich erste gesellschaftliche Strukturen. Der Ort, der als Handelsposten gegründet und Wisperwind getauft wurde, wuchs im Laufe der Generationen zum kleinen Stadtstaat, der von den unterschiedlichen Spezialisierungen seiner ebenso facettenreichen Bewohner profitierte und sich rasant entwickelte. Für diese war ihre Heimat ein Symbol und ein Schritt in eine neue Ära. Die Stämme der Mondsänger waren ein stolzes Volk und Ureinwohner des Tals. Sie waren den Siedlern stets freundlich gesinnt, doch standen sie dem neuen Pfad skeptisch gegenüber und bevorzugten ihr Leben in Abgeschiedenheit der Wälder und Ausläufer der Berge. Manchmal allerdings kamen sie in die Nähe der Zivilisation, um Tauschhandel zu betreiben.

Lya entstammte einer Händlerfamilie und genoss die Unterstützung ihres Vaters Ajan, der sie stets in ihrem Vorhaben bekräftigte und ihr mit finanziellen Mitteln ein Studium ermöglichte. Trotz seines vielbeschäftigten Postens, war er nach dem frühen Tod seiner Gefährtin stets bemüht, ihr Wärme und Halt auf ihrem eingeschlagenem Weg zu geben. Zielstrebig und unermüdlich erlernte sie Sitten, Brauchtum und soziale Verhaltensweisen der verschiedensten Volksgruppen und Kulturen. Zu jung um Erinnerungen an ihre Mutter zu besitzen, gewöhnte sie sich früh an ihr Leben, das dem Lernen gewidmet war und fand Zuflucht in den Büchern. Im jungen Erwachsenenalter wurden ihre Lebenspläne durch eine Erkrankung ihrer Augenlinsen zerworfen. Gelehrte sprachen von einer Trübung und nannten diese umgangssprachlich grauer Star. Die Medizin war mit ihren derzeitigen Mitteln am Ende ihres Lateins und sie dazu bestimmt, mit dieser Beeinträchtigung zu leben. Ungern erinnerte sie sich an die Jahre der Resignation in Einsamkeit zurück, in denen sie mit ihrem Schicksal haderte und sich in ihre eigene Welt verkroch.

Ihr aktivistisches Feuer erwachte erneut, als sie ihre Tage oft im Geschäft ihres Vaters an seiner Seite zubrachte, um nicht völlig den Kontakt zur Außenwelt zu verlieren. Sie lauschte den Geschichten, Sorgen und Problemen seiner Kunden und kam zu dem Schluss, dass es auch außerhalb des durch Mauern abgeriegelten Regierungsviertels am nördlichsten Punkt der Stadt genügend Handlungsbedarf gab. Die Brücke am Fluss Myrr wurde von Vielen als unsichtbare Mauer empfunden, die die Gesellschaft in zwei Klassen teilte. Die Kasernen und edleren Händlerresidenzen, die an das Regierungsviertel angrenzten am Nordufer und die Behausungen von Handwerkern, Marktleuten und Landwirten am Südufer. Sie wollte einst symbolisch diese Brücke bis in das Entscheidungszentrum erweitern und fand ihre neue Bestimmung als Sprecherin des Volkes. Geschäftlichen Beziehungen ihres Vaters und ihr Ruf, den sie sich durch gute Leistungen als einstige Studentin und Junganwärterin erarbeitete, ermöglichten ihr einst die ersten Audienzen im Regierungsviertel. Selbst der Stadtrat zeigte Interesse daran, Ohren im Volk zu besitzen und gewährte ihr in der Vergangenheit des fteren die Möglichkeit, ihre Anliegen vorzutragen. Inoffiziell war ihr Posten, doch erfüllte er sie mit neuem Lebensmut und Selbstbewusstsein. Durch frühere Erfahrungen war sie weit mehr gewohnt an die Situation einer Anhörung, als die anderen Beiden, die zu ihren Seiten am breiten Tisch saßen, der für Verhörte und Gäste des Rates vorgesehen war.

Fokussiert auf den halbrunden Ratstisch an der Stirnseite des Saals, bemühte sie sich in stolzer und aufrechter Haltung um Konzentration. Ihre Augen konnten weder Gesichter noch Details des Raumes erkennen, doch sie liebte die kunstvoll gefertigten, großen Fenster aus Buntglas im Rücken der Ratsmitglieder. Durch das Restlicht, das durch sie drang, wirkten sie für Lyas verschleierte Sicht wie das Himmelstor. Ein Spektrum an Farben, das für sie nur verschwommen und ineinanderlaufend wahrnehmbar war, verliehen dem Raum eine magische Atmosphäre. Oft verlor sie sich in der Fantasie, die Stimmen der Ratsmitglieder, entstammten Wesen aus einer anderen Welt. Manchmal verstärkte sich dieser Eindruck auch durch den Inhalt der gesprochenen Worte. Kühl war es im Raum. Ein sanfter Luftzug umspielte sie und ließ sie frösteln. Ein undichtes oder geöffnetes Fenster und die Ritzen des Tores zum Saal, die die Luft hindurch dringen ließ?

Die schwarzen Ohren waren aufmerksam gespitzt und richteten sich auf jede wahrnehmbare Geräuschquelle. Kaum ein Räuspern entging ihr. Vereinzelt hörte sie Mitglieder des Rates zueinander flüstern und selbst der aufgeregte Herzschlag des jungen Lehrlings zu ihrer Linken war deutlich wahrnehmbar. Vilkas, der junge weiße Wolf wirkte mit der Situation und den zahlreichen Fragen zum Vorfall im Labor der Universität, die im Laufe der andauernden Besprechung an ihn gerichtet wurden, deutlich überfordert. Sie spürte den Drang ihn zu beruhigen, doch der Fortlauf der Konversation riss sie aus ihren Gedanken.

„Nach der Evakuierung der Südstadt haben wir an der Nordseite der Brücke eine Barrikade errichtet. Keine Aktivität seit zwei Tagen. Diese Infizierten sammeln sich am Südufer und scheinen zu zögern, den Fluss zu überqueren.", sagte der Leutnant und ließ den Worten ein Schnauben folgen. Die Stimme war feminin, doch tief und resolut im Klang. Lya kannte die Soldatin sehr gut. Sie war eine Bovine, eine Kuh in ihrem Alter. Ihre Mutter war Magd im Ratsgebäude. Ihr Vater hingegen war ein Schmied und pflegte geschäftliche Beziehung mit dem ihren. Ihr Name war Bertha. Trotz unterschiedlicher Herkunft wuchs einst eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen, als diese noch jung waren. Eine Verbindung, die die Brücke zwischen den beiden Stadtteilen zu symbolisieren schien.

„Wir verlangten nach Hauptmann Taro. Ist er wohlauf? Warum wurdet ihr geschickt Leutnant?, fragte ein Ratsmitglied und wurde von Lyas graublauen Augen fokussiert. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, doch er besaß Auswüchse an seinem Kopf, die auf ein Geweih hindeuteten, dessen Schatten sich im bunten Schein der Fensterscheiben abzeichnete. Ihr Atem stockte beim Namen des Hauptmanns. Sie war seit zwei Jahren mit dem stolzen Tiger liiert und voller Sorge um ihn. Verloren im Gedanken an sein Wohlbefinden, bemühte sie sich, ihre Konzentration aufrecht zu erhalten, als sie Berthas Antwort lauschte. Lya hörte ihre Freundin resigniert und entnervt seufzen und hoffte das dies nicht all zu deutlich an die Ohren des Rates drang oder gar von einem entrückten Gesichtsausdruck begleitet wurde. Bertha hasste Zeitverschwendung und das Reden um den heißen Brei. Die Katze konnte ihre wachsende Ungeduld spüren, die mit dem Andauern des Gespräches stetig weiter wuchs.

„Er hielt es für angemessen bei seinen Männern zu bleiben.", sagte die Kuh. Es klang der Missmut in ihrer Stimme, doch Lya war erleichtert, dass die Antwort verhalten ausfiel. Bertha war enthusiastisch und stets darauf besinnt sich zu beweisen. Vielleicht war dies auch der Grund für ihre Seelenverwandtschaft. Insgeheim bewunderte die Katze die innere Stärke ihrer Jugendfreundin. Das letzte deutliche Bild, das sie von ihrer Freundin in Erinnerung hatte, war das eines jungen Mädchens. Sanft mollige Statur, doch nicht unansehnlich. Hellbraunes Fell, eine dunkle, schulterlange Mähne, die sie meist zu kleinen Zöpfen geflochten oder zusammengebunden trug und kastanienbraune Augen. Andere Pubertierende hatten sie oft aufgezogen und gehänselt, doch die einst ruhige Bertha schien sich zumindest oberflächlich nicht davon berühren zu lassen. Wohl möglich bekräftigte sie ihre Jugend aber in ihrem Vorhaben zu lernen, sich durchzusetzen und jenen zu trotzen, die sie stets unterschätzten. Einst schüchtern wuchs sie heran zur starken und selbstbewussten Erwachsenen. Obwohl sie für ihr angestrebtes Ziel einst belächelt wurde, war sie kaum abzuhalten, sich der Garde anzuschließen.

Lya kannte somit auch die andere Seite ihrer Freundin und war dankbar für ihre Unterstützung in ihren Jahren der Resignation. Die Kuh war stets bemüht sie aufzuheitern und aus ihrem tiefen Loch zu ziehen. Letzten Endes war sie es auch, die bei einem gemeinsamen Ausgehen ein Treffen mit ihrem Kameraden, ihren heutigen Hauptmann arrangierte, der damals ein Auge auf die junge Siamkatze geworfen zu haben schien. Sie wusste um Taros Pflichtbewusstsein und fürchtete, seine Entscheidung Bertha als Stellvertreterin zu entsenden, wäre nicht grundlos gefallen. Wahrscheinlich wollte er sie für den äußersten Fall an Lyas Seite wissen. Die Katze wollte gar nicht daran denken und es blieb kaum Zeit für Sentimentalitäten. Das Anliegen, das ihr Einlass in die bewachten Mauern des Regierungsbezirkes verschaffte, musste vorgetragen werden, bevor sich der Rat in zeitraubende Debatten über Formalitäten verlor. Es war schwer genug, die Wache zu überzeugen, dass die Bürger, die außerhalb der Tore nach Sicherheit verlangten, ein Recht darauf hatten zu erfahren, was vor sich ging. Sie musste die Gelegenheit der Sprechpause nutzen.

„Geehrter Rat, verzeiht meinen Einwand, doch die Zeit drängt. Während wir sprechen, friert und hungert die Bevölkerung und die Vertriebenen des Südufers in den Straßen der Nordstadt. Die Wasservorräte schwinden und vielen mangelt es an Versorgungsgütern und Schutz vor der Witterung.", warf sie geschwind ein. Den Kopf sanft gesenkt, die Augen auf den Boden vor dem Anhörungstisch gerichtet, um nicht herausfordernd zu wirken und dennoch stolz in ihrer Haltung, dachte sie an Jene die versuchten, die Ordnung in den Straßen aufrecht zu erhalten. Soldaten und Freiwillige wie die Väter der beiden Freundinnen. Wissend um die Stimmung unter den Bürgern vor den Toren hoffte sie, dass die Situation nicht eskalierte. Durst, Angst und Bedrohung war eine gefährliche Mixtur und jede Stunde die verging, steigerte die Anspannung.

„Eine Kompanie der Garde und eine provisorische Barrikade an der Myrrbrücke bieten den einzigen Schutz vor möglichen Angriffen von der Südseite. Ich erbitte das ffnen der Tore. Die Bürger verlangen nach Sicherheit und dem Rückzugsort hinter den Mauern, der ihnen einst für Krisenzeiten zugesichert wurde."

Gemurmel folgte ihren Worten. Zustimmung und Widerspruch drangen an ihr Gehör. Der Rat wirkte uneinig und die Erinnerung an das Thema entfachte sogleich wieder heftige Diskussionen mit festgefahrenen Positionen. Begleitet vom Stimmengewirr wendete sie ihren Blick zur Seite. Kaum möglich war es ihr durch ihre eingeschränkte Sehkraft, die Emotion im Ausdruck des Gesichts des jungen Wolfes zu erahnen. Sein weißes Fell fing das Licht, das durch die Fenster drang. Gekleidet im bürgerlichen Gewand, verrieten seine zuckenden Kopfbewegungen, mit denen er versuchte den Konversationen zu folgen seine Nervosität. Lya nahm seine Hand und drückte sie sanft im Versuch, ihn zu beruhigen. Vilkas war einer der Zeugen des Vorfalls im Labor und sie war froh ihn wohlauf an ihrer Seite zu wissen.

Auch mit ihm verband sie eine jahrelange Freundschaft und es wirkte wie eine schicksalhafte Fügung, inmitten zweier Nahestehenden vor den Rat zu treten. Der junge Mondsänger war einst ein Außenseiter in seinem traditionsbewusstem Stamm. Fasziniert vom zivilisierter werdenden Lebensstil der Siedler und unverstanden von seiner Familie, zog es ihn als Jüngling auf der Suche nach seinem eigenen Weg nach Wisperwind. Obwohl sein Volk, die Ureinwohner des Tals den Städtern stets friedvoll gesonnene Nachbarn waren, traf er auf seinem ziellosen Flucht in die Zivilisation auf Vorurteile gegen Wilde. Nach wochenlangem Umherirren und etlichen Wochen ohne Obdach, war es Lyas Vater, der dem jungen Wolf nach kurzer Bekanntschaft die Chance gab, sich als Helfer in seinem Geschäft zu beweisen und Fuß zu fassen. Ihr Vater hatte schon immer ein Herz für die Armen. Wissend, aus welchen Verhältnissen seine Vorfahren einst aufgestiegen waren, wurde sein Vertrauen in den Jungen nicht enttäuscht. Vilkas war eine unscheinbare und ruhige Natur, doch lernfähig und wissbegierig.

Zu Höherem bestimmt, nutzte er einst die Gelegenheit, in der für ihn neuen Welt ein Standbein zu gewinnen, bevor er sich einige Jahre danach dazu entschloss, seinem regen Interesse an seiner Umwelt zu folgen und eine Lehre unter der Obhut des Alchemisten und Naturkundlers zu beginnen. Für sie war er der kleine Bruder, den sie nie hatte. Ihr Vater ließ ihn schweren Herzens seiner Wege ziehen, als er die Schwelle zum Erwachsenwerden überschritt.

„Ist es weise, der Bedrohung die Tür zu öffnen? Ich denke nicht! Wir wissen nicht womit wir es genau zu tun haben und auf welchen Wegen es sich verbreiten kann. Vielleicht ist es eine Krankheit, die die Wilden zu uns brachten." Die Stimme die den Einwand vorbrachte und die anderen übertönte, klang rau, sanft nasal und knurrig und schien Zuspruch bei Teilen des Rates zu finden. Sie gehörte Oathis, einem etwas untersetzen Mops, der Lya dafür bekannt war, einer der Wortführer zu sein. Jene, die hier im Norden siedelten und eine geschlossene Gemeinschaft bildeten, hegten oft Misstrauen gegen Außenstehende, doch ihre Hoffnung, nicht vorschnell Schuldige zu suchen, wurde zumindest nicht enttäuscht, als Gemurmel der Andeutung einer Anschuldigung widersprach. Bislang war nur bekannt, dass das Flusswasser verseucht schien. Eine Probe sollte untersucht werden, während die Armee den Zugang zur Nordstadt sichern sollte.

Befallene zeigten Veränderungen im Verhalten und schienen mehr wie unintelligente, instinktgesteuerte Tiere zu handeln. Dies ging aus Berthas Lagebericht hervor. Vilkas, der Zeuge des Vorfalls im Labor wurde, berichtete dass sein Meister ihm beim Versuch, den Erreger im Wasser durch aufkochen abzutöten, nach mehr Kohle entsandt. Bei seinem Weg zurück zum Labor, habe er ein kreischendes Geräusch gehört, das aus dem Kessel zu kommen schien. Es musste ein Schock für gewesen sein, Zeuge zu werden wie eine Person, die nie einer Fliege etwas zuleide tat, seine Kollegen angriff. Er war es, der die Wachen alarmierte und dabei zusehen musste, wie sein einstiger Mentor von ihnen überwältigt wurde.

Eine Warnung wurde an die Bevölkerung ausgesprochen, doch die Versorgung war mangelhaft, da die Vorräte an gespeichertem Trinkwasser begrenzt waren und viele Flüchtigte ohne Obdach in den noch gesicherten Straßen des nördlichen Stadtteils auf ein Handeln warteten.

„Zumindest müssen wir alle entbehrlichen Versorgungsgüter mit den Bürgern in den Straßen teilen. Decken, Wasser, Nahrungsmittel..." Lyas Ohren zuckten in die Richtung der Stimme. Im Vergleich zu seinem Ratskollegen klang sie jung und enthusiastisch. Die trügerische, silberne Zunge kennend, musste sie sich beherrschen, den neutralen Ausdruck im Gesicht nicht zu verlieren. Raymond der Fuchs war der Jüngste unter den Abgeordneten und Sohn einer der reichsten Familien in Wisperwind. Während ihrer Studienzeit rivalisierten sie um den Platz des Klassenbesten und sie konnte seine hochnäsige Art nie leiden. Er besaß eine patriotische Art, doch Großzügigkeit und Edelmut aus seinem Mund zu hören, verwunderte sie. Ob im Laufe der Jahre die Vernunft bei ihm einkehrte, oder ob er darauf aus war, sich in Szene zu setzen und Sympathie bei den Bürgern zu gewinnen, blieb fraglich für sie. Wissend, dass ihr Einlass nicht unter dem besten Stern stand, rang sie den Drang, die Dringlichkeit des Einwandes weiter zu bekräftigen nieder. Bertha musste sich am Tor einer Notlüge bedienen, um ihr die Begleitung zu ermöglichen. Die Behauptung den Wachen gegenüber, sie bringe Erkenntnisse zur Notlage, führten zum Erfolg. Als diese jedoch im Laufe der Besprechung ausblieben, beteuerte zwar der Älteste auf Grund der Sorge um Nahestehende, Verständnis für ihr Handeln, doch sie befürchtete Konsequenzen für ihre Freundin und entschloss sich, die gereizte Stimmung nicht weiter anzuheizen.

„General Varciss bat wie ihr wisst... werter Kollege, in der letzten Unterredung um Genehmigung, eine Offensive zu planen und diese wurde mehrheitlich beschlossen. Auf sein Geheiß wurden die Kasernen per Flaggensignal informiert, die Reservisten einzuziehen. Er möchte sie kampfbereit bis zum Morgengrauen. Wir haben nicht genug Vorräte und wir müssen unsere Versorgungsrouten befreien.", sagte der Hund Oathis mit einem bestimmenden und fordernden Unterton.

Seufzend senkte sie den Blick und schloss die Augen, um die Worte sinken zu lassen. Die Wehrpflicht wurde bereits ausgerufen? Sie mochte den Gedanken nicht, unterversorgte Bürger zu den Waffen zu rufen. Ebenso wenig wie ihre Freunde, doch es schien ein logischer Schritt zu sein. Alle wussten, dass ein Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse von den südlichen Höfen stammte und dass die aktive Garde nicht groß genug war für ein solches Unterfangen. Lya hoffte inständig, dass die Bedrohung durch die Grauaugen oder den unbewaffneten Wilden, wie sie im Volksmund genannt wurden, von den Befehlshabern ernst genug genommen wurde, um sie nicht zu unterschätzen. Die Weichen waren bereits gestellt. Worte konnten diese wohl kaum noch verändern.

„Sollte unsere... Informantin nichts Weiteres beizutragen haben, empfehle ich das Einstellen der Unterredung." Die süffisanten Worte des Politikers reizten sie zutiefst. Der Rat schien auf Ergebnisse weiterer Forschung und das schrittweise Vorgehen zu vertrauten und dieses nicht in Frage zu stellen. Erfüllt von Ärger und Verzweiflung, doch ihr edles Antlitz und ihre stolze Haltung bewahrend, rang sie unterbewusst mit dem Bedürfnis, scharf zu kontern. Ohne äußerlich wahrnehmbare Anzeichen ihres Gemüts, donnerte sie stattdessen ihre Faust wenig damenhaft auf die Fläche des Tisches, was das Gemurmel verebben ließ.

„All das löst nicht das Kernproblem!", erinnerte sie bestimmt an die Tatsache, dass die Ursache der Krise noch immer im Schatten lag. Sich langsam erhebend, verneigte sie sich respektvoll, bevor sie sich abwendete. In ihrem robenartigen, schwarzen Kleid, in dessen Front kunstvoll mit rotem Faden der Phönix, das Wappentier der Stadt eingenäht wurde, wirkte die Siamkatze nach eigenem Empfinden wichtiger als sie es letztendlich war. Sie hatte nichts Offizielles an sich. Weder ihre Kleidung noch ihr Engagement. Alles was sie tat und Antrieb, war der Versuch gehört zu werden, oder anderen Gehör zu verschaffen. Begleitet vom Gefühl der Bedeutungslosigkeit im Strudel der Ereignisse, ließ sie sich von Vilkas hinausführen.

Wisperwinds Bewohner lebten seit Generationen isoliert in ihrem Tal. In längst vergangenen Tagen vor dem Aufschwung des Völkerbundes aufs karge Überleben fokussiert, verwarfen sie den Glauben an Mythen und Legenden, die ihre Vorfahren einst aus dem Süden mitbrachten. Für sie zählte Ertrag und Errungenschaften, die ihre Hände einbrachten und schufen mehr als Geschichten über Unerklärliches. Wahrheit war für sie, was sich ihnen beweisbar erschloss. Übernatürlichen Aberglauben für möglich zu halten, brachte meist nur Gespött ein, doch obwohl es keiner wagte auszusprechen, schien ihr und wohl möglich auch anderen die Situation zu surreal, um an eine greifbare Erklärung denken zu können. Ein Ohr gerichtet auf die schweren Schrittgeräusche, die Berthas Hufen auf dem Steinboden erzeugten, stoppte sie in ihrer Bewegung und bremste auch den führenden Wolf, als die Worte des Ältesten, eines Eisbären mit tiefer, charismatischer Stimme im Saal hallten. „Bleibt einen Moment, Leutnant."

Hart schluckend sah Lya zurück auf ihre Freundin. Fast sicher, dass ihr Verhalten am Tor eine Rolle bei der Aufforderung zum persönlichen Gespräch spielte, war sie in Sorge. Stille und zähe Momente verstrichen, bevor sie ihr zunickte und sich vom weißen Wolf hinausgeleiten ließ. Bedrücktes Schweigen herrschte, als die beiden den Raum verließen.

Den langen Gang hinaus hatte bedrücktes Schweigen geherrscht. Kaum ein Wort wurde zwischen den Beiden gewechselt. Die Sonne stand bereits tief am Horizont als die Wachen ihnen die Tür in den ummauerten Außenhof öffneten. Vilkas führte Lya zu einer etwas abseits gelegenen Bank auf ausgiebig angelegten, überdachten Terasse. Selbst lehnte er sich an das Geländer davor und sah ihr den Rücken zugewandt, verloren im Gedanken in den Sonnenuntergang, während sie auf Bertha warteten.

„Nicht die besten Voraussetzungen für einen Besuch.", sagte er etwas wortkarg und mit einem Seufzen begleitet. Lya verstand die Andeutung und ließ den Blick sinken, mit dem sie seine Silhouette fokussierte. „Als ich von dem Vorfall hörte... du hättest es sein können, der lebensbedrohlich verletzt wurde.", war alles was sie sagen konnte. Er schwieg bedrückt und verarbeitete vermutlich gedanklich das Geschehen.

„Also war es deine Idee?", fragte der Wolf halb vorwurfsvoll und dennoch erleichtert wirkend, sie innerhalb der Mauern zu wissen. „Nicht ganz...glaube ich. Als Bertha von Taro abkommandiert wurde, kam sie direkt zum Laden meines Vaters. Sie trug einen versiegelten Brief von ihm mit sich und erzählte mir alles, was sie wusste.", sagte Lya in einem nachdenklichen Tonfall. Den Ellenbogen angewinkelt auf dem Oberschenkel und den Kopf mit einer Hand stützend, seufzte sie leise in einer Sprechpause. „Ich wollte Vater nicht zurücklassen und ich möchte nicht dass Bertha wegen mir in Schwierigkeiten gerät, aber sie alle kennen mich wohl zu gut und wussten genau, wie ich zu überzeugen. Mit dem Rat zu sprechen war nutzlos."

„Ich denke sie wollten dich alle in Sicherheit wissen, für den äußersten Fall." Vilkas räusperte sich und schwieg. Kleinlaut und entschuldigend fügte er hinzu. „Eure Väter wissen was sie tun und Taro ist ein erfahrener Soldat. Sie werden sicher..."

„Das hoffe ich!", unterbrach sie den wenig erfolgreichen Versuch, sie zu beruhigen.

* * *

Ihr feines Gehör vernahm klappernde Schritte. Hufe auf Stein, die sich langsam näherten und nah hinter der Bank verstummten. „Ich hoffe, alles ist in Ordnung.", sagte die Siamkatze besorgt und erhielt ein Schnauben als Antwort. „Berücksichtigt man die allgemeinen Umstände, ist es eine abenteuerliche Frage.", antwortete eine unerwartete Stimme. Ratsmitglied Raymond der Fuchs, musste ihrer Freundin auf leisen Sohlen gefolgt sein, oder ihr war seine Anwesenheit bewusst und sie sah dieses als Grund, sich einen Kommentar zu ersparen.

„Der Rat zeigte viel Verständnis für die... Dringlichkeit deines Erscheinens. Persönlich bin ich nicht der Meinung, dass emotionale Beweggründe unangemessenes Verhalten zur Bagatelle wandeln, aber es gibt wohl Wichtigeres zu tun, als dies auszudiskutieren."

Stolzierend und gestikulierend hatte der Fuchs die Bank umrundet und der Blick, mit denen er die beiden Frauen passierte, war sicher abschätzig und höhnisch. „Ich wurde persönlich zum Quartiermeister gesandt, um zu prüfen, wie groß unser Bestand an Hilfsgütern ist und um die eventuelle Verteilung zu überwachen.", sagte er voller Stolz über die Berücksichtigung seines Einwandes bei der Besprechung.

„Wissend um die... Qualität unserer Bediensteten und Wachen, sollte ich mich vielleicht um eigene Arrangements bemühen. Jeder hat wohl seinen Preis!", sagte er zynisch und verbal nachtretend, bevor er die Gruppe verließ.

„Arschloch!", schnaubte Bertha, als er außer Hörreichweite war und trat einen Stein weg, der deutlich hörbar über die Pflaster hüpfte. Lya kämpfte gegen ein aufkeimendes, gezwungenes Lächeln auf Grund der direkten Art ihrer Jugendfreundin. „Zumindest... versucht er zu helfen.", sprach die Diplomatin sachlich aus ihr.

„Pff! Den Heilsbringer spielen und dabei mit mottenzerfressenen, ausrangierten Decken um sich werfen, die ihm andere auf die Mauer hinauf zutragen, ist genau sein Ding! Hoffe dass die Leute nicht so doof sind, um das nicht zu durchschauen!", schimpfte die Kuh und trat vor die Siamkatze, um ihr in die Augen zu schauen.

„Dein Gatte hat mich enttäuscht! Sein schriftlicher Lagebericht enthielt auch das Anliegen, mich unter das Kommando des Generals zu stellen. Scheiße! Ich gehöre zu meiner Kompanie!", schnaubte sie verärgert. Beiden war wohl die besorgniserregende Vorahnung, die den Hauptmann zu dieser Entscheidung trieb bewusst. Teils froh über die momentane Sicherheit der Offizierin und nicht sicher, wie sie reagieren sollte, schenkte sie ihr einen betroffen Blick, da sie auch die Enttäuschung nachfühlen konnte. Beunruhigt, dass sich ihr eigener Verdacht bestätigte.

„Nach all den Jahren der Kameradschaft! Ich muss nun Meldung machen und ihr Beide bleibt hinter diesen Mauern, bis sie euch hinaustragen! Verstanden?", sagte die Kuh, bevor sie sich aufmachte.

* * *

Vilkas blieb die ganze Zeit über stumm und in sich gekehrt, fokussiert auf etwas in seiner Hand. „Du sorgst dich sicher um deine Familie und um deinem Stamm. Ich hoffe sie sind wohlauf.", brach Lya das Schweigen. Wissend, dass er sie einst im Streit verließ, aber in all der Zeit ungern ins Detail ging, wenn das Thema aufkam.

„Manchmal... muss man sich von dem abwenden, was sie lehrten zu lieben, um den eigenen Weg zu finden." Traurigkeit und ein Mix aus Emotionen lagen in seinen Worten, als er nach langen Momenten antwortete. Die Siamesin erhob sich langsam von ihrer Bank und überwand die wenigen Meter zu ihm im anmutigen Gang. Am Geländer neben ihm Halt suchend, legte sie tröstend die Hand auf seine Schulter.

„Weißt du was das ist?", fragte er leise, als er ihre andere Hand langsam an den Talisman führte, den er stets unter dem Hemd versteckt bei sich trug und nun vor sich hielt. Tastend fühlte sie den runden Stein mit der glatt geschliffenen Bruchstelle und ihre Augen weiteten sich in ihrer Überraschung. Einst studierte sie Brauchtümer und Rituale der Völker, um sie besser zu verstehen. Der Mondsteinhälfte war ein traditionelles Geschenk von einem Häuptling an seinen Sohn und erwählten Nachfolger. Die zweite Hälfte verblieb im Besitz des Vaters, bis dieser einst abdankte. Sie hätte nie geahnt, dass er der Sohn eines Stammesführers war.

„Ich war niemals der Sohn , den er sich wünschte.", sagte der weiße Wolf schwermütig und seufzte. „Seinem Jüngsten hörte er selten zu. Ich war nie so stark oder schnell, wie mein Bruder. Kein so guter Jäger wie er." Er schluckte schwer, als er sich gedanklich die Worte zurecht legte.

„Seit ich klein war und zum ersten Mal sah, wie reich die Stadtbewohner an Nahrung waren und wie sie für ein besseres Leben zusammenarbeiteten und sich ergänzen, träumte ich davon hier zu leben. Ich versuchte meine Leute zu überzeugen, ihnen zu zeigen, dass auch wir Besseres erreichen können als ein Leben in Zelten und Höhlen, aber viele hielten eisern an ihren Traditionen fest und fürchteten ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu verlieren. Jene gewillt zu hören, hatten nicht den Mut, den alten Weg in Frage zu stellen. Viele würden eher verhungern, als einen neuen Weg zu beschreiten"

Lya hörte aufmerksam zu und versuchte beide Seiten zu verstehen.. Berührt und im Gedanken mit den Schmerz erfüllt, einen Pfad aufzugeben, der einst das Leben bestimmte, sah sie mit ihm nachdenklich in die Ferne. Nachdem ihre Krankheit ihren Traum zerstörte, fühlte sie sich lange als lebe sie in einer Welt, in der es keinen Platz für sie gab. „Etwas aufzugeben, das man lange liebte ist sehr schwer.", sagte sie im leisen, gefühlvollen Ton. „Ich weiß...", antwortete er lethargisch und schluckte wahrnehmbar, sichtlich an seine eigene Geschichte denkend.

„Du sagtest dein Vater bevorzugte deinen Bruder. Warum trägst du den Talisman?", fragte sie einfühlsam und hoffte, sie könne helfen die Last, die auf seiner Seele lag zu lösen. Wartend auf die Antwort, sahen sie auf ins langsam schwindende Licht des Abends, das den majestätischen Bergen stets einen herrlichen Glanz verlieh. Für sie nur eine Erinnerung, die sie stets mit sich trug.

„Ich... weiß nicht was ich mir dachte!", begann er und senkte beschämt den Kopf und seine Ohren. „Die letzten Worte, die wir wechselten, endeten darin, dass ich ihn einen Idioten nannte, der mit Blindheit gestraft ist. Ich ging in der folgenden Nacht und stahl die Hälfte des Mondsteins. Hoffend, sie würden mir folgen. Hoffend sie würden mich verstehen, wenn sie sehen, was ich sah in dieser Stadt, aber sie kamen nie. Ich glaubte nie an Mythen und sah in den alten Riten und Bräuchen nur Fußfesseln, die uns daran hinderten, glücklich zu sein. Nun stehen wir etwas gegenüber, dass wir nicht erklären können und ich beginne, mich wie der Idiot zu fühlen."

Die letzten Worte einzugestehen, musste ihm schwer gefallen sein. Nicht sicher ob in seinen blauen Augen auch Tränen standen, die getrocknet werden mussten, schloss sie die ihren. „Ich bin so froh, dass du wohlauf bist.", schluchzte sie leise im Gedanken an die Sicherheit all jener, die außerhalb der Mauern der Nacht entgegensahen.

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