Kapitel 20 - Des Phönix Flammen
#21 of Drachenkrieg
Wie ein See aus purem Gold begann das Magma im Schlot des Vulkans zu glühen. Rasant und ohne eine Sekunde des Zögerns schoss Kerr aus diesem empor, spreizte ein brennendes Paar Flügel welche seinen mit glühendem Magma überzogenem Körper hinauf zum Plateau von welchem er einst hinabstürzte wo er sich nicht nur seiner Last, sondern auch seiner alten Gestalt entledigte.
Kerrs blaue Augen hatten einen schimmernden violetten Farbton angenommen, die einst ockerfarbenen Schuppen waren nun oxidrot und entlang seines Halses, den Handgelenken sowie den Fußknöcheln hatten sich Kragen aus weißem Fell gebildet. „Wahnsinn.", sagte Lena mit ehrfürchtigem Staunen, spürte förmlich wie Kerrs neue Gestalt auf sie einwirkte und sie ihr die weitere Sprache verschlug. Nachdem der Wyvern auf jener Klippe landete, legten sich seine Flügel um seinen geschuppten Körper und schufen ihm eine neue Garderobe: eine schwarze Jacke ohne Ärmel und organogenem Saum zudem eine kurze schwarze Hose welche seine Knie gerade so bedeckte kam.
„Wie es scheint, hast du das Ritual bestanden.", schlussfolgerte Lena aus Kerrs Rückkehr, schien damit das Offensichtliche anzusprechen während sie ihre Bewunderung zum neuen Aussehen des Wyvern Kund gab; ihr erster Eindruck erinnerte sie stark an einen Phönix welcher gerade aus seiner Asche aufgestiegen war und sich nun in seiner gesamten Pracht vor ihr präsentierte. Vor allem aber sprach sie die Tätowierung welche sich auf der Mitte von Kerrs Brust befand ebenso an wie Kerr selbst welcher durch ihren Hinweis erst darauf aufmerksam wurde und es zunächst inspizierte.
Ein solches Zeichen hatte er bisher noch nie gesehen und selbst wenn, konnte er sich nicht an dessen Bedeutung erinnern. Vermutlich gehört das zur Verbindung mit dem Drachenherz dazu, kam es ihm in den Sinn als sich sein Augenmerk davon wieder auf Lena richtete. Zunächst bedankte er sich für die Komplimente, fand sie aber für wenig angebracht, der er jetzt etwas anderes im Sinn hatte: jetzt wo sie einander definitiv ebenbürtig waren forderte Kerr eine Revanche von der Hexe welche er ohne Widerrede einforderte. Da sie sich nicht sicher war, welche Auswirkungen das Drachenherz auf Kerr und seine Kräfte hatte, wirkte Lena etwas zurückhaltend wie unsicher über die Herausforderung was sie direkt kundgab und dadurch für eine Überraschung im Gesicht des Wyvern sorgte, denn dieser nahm als Gegenargument ihre Überlegenheit im letzten Kampf ebenso wie die Tatsache, dass er sich damals nicht drückte und gegen sie antrat.
In Verlegenheit gebracht gestand sie einen Scherz gemacht zu haben bevor sie sich für den Kampf bereit machte. Hierzu nahm sie noch einmal die Flasche mit dem wundersamen Elixir aus geschmolzenem Gletschereis von ihrem Gürtel und trank diese dann bis auf den letzten Tropfen leer, ließ die Flasche zu Boden fallen als sie sich die Lippen sauberleckte, auf die Brust klopfte woraufhin sämtliche Schrammen, Brandflecken sowie andere Verletzungen welche sie im letzten Kampf mit Kerr erlitt einfach verschwanden und sie in einen komplett unversehrten Zustand zurückversetzte.
„Natürlich will ich sehen, wie viel stärker das Drachenherz dich gemacht hat!", erwiderte sie aufgeregt, schien es garnicht abwarten zu können als Kerr auf einmal meinte, dass er sich nicht sonderlich anders fühlte als vorher, etwas frischer und vielleicht auch ein wenig vertrauter mit der Feuermagie, aber nicht sonderlich stärker als vorher. „Na das wollen wir ja mal sehen.", meinte Lena daraufhin mit einem provokanten Unterton als sie und ihr Gegenüber in ihre Ausgangspositionen gingen, tief durchatmeten und ihren Flammen ein zweites Debüt gaben.
Rasch und aggressiv, so lautete die Devise für Kerrs rasant voranpreschende Offensive welche Lena direkt in die Defensive zwang und sie fast schutzlos seinen Faustschlägen und Tritten aussetzte.
Hier nutzte er seinen Vorteil im Nahkampf gekonnt aus, behielt dabei jedoch die üppige Feuermagie, welche die Hexe in einer verzwickten Situation wie dieser verwendete im Hinterkopf und achtete daher auf jedes noch so kleine Anzeichen dieser. Diverse Treffer von Kerrs Fäusten und Füßen an ihren Armen, Beinen, Bauch und Gesicht veranlassten Lena dazu, eben diesen Gegenangriff bestehend aus einem flammenden Schild und Schwert auszuführen um sich wenigstens etwas vor dem Wyvern schützen zu können wobei sie feststellte das da tatsächlich eine Veränderung in seiner Stärke existierte; für ihn war es vielleicht nur ein hauchdünner Unterschied zu vorher gewesen, doch für Lenas geschulte Sinne besonders in diesem Bereich war die Kluft, welche sich zwischen seiner vorherigen und jetzigen Stärke auftat dermaßen sichtbar, dass es sie vor Schreck schlucken ließ.
Die Frage, welche sich hierbei stellte war, wieso er nichts davon merkte und sich genauso fühlte wie vorher auch. Könnte das am Drachenherz liegen? Oder ist das irgendeine Wyvern-Eigenart die ich nicht kenne?, fragte sie sich während es ihr gelang, Kerrs Stärke einigermaßen standzuhalten um dabei das Muster seiner Angriffe zu studieren um somit einen Vorteil gegenüber dem Wyvern zu bekommen, was jedoch wertlos war solange sie keinen Weg fand, diesen für sich zu nutzen.
Im Gegensatz zu ihrem vorherigen Kampf schien dieser weitaus einseitig zu verlaufen, vor allem weil Lena nicht genau wusste, wie sie dem Wyvern entsprechend entgegentreten konnte ohne dabei zu riskieren, von dessen Stärke am Ende doch noch überwältigt zu werden.
Und da fand sie es, das offene Fenster, welche sie so lange gesucht hatte! Zwischen jedem Angriff von Kerr, sei es mit den Fäusten oder den Füßen, gab es eine kurze Pause von etwa zwei Sekunden welche für sie vollkommen ausreichten um ihn durch einen gut abgepassten Gegenschlag für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Rhythmus zu bringen woraufhin sie eine große Feuersbrunst entfesselte welche den Wyvern von ihr distanzierte und gleichzeitig als Schutzwall und Eröffnung ihrer nächsten Offensive diente. Kurz darauf umschloss sie sich mit dieser ehe sie das Feuer dazu verwendete, ihren Gegner mit einer Reihe Feuerbällen unter Beschuss zu nehmen.
Bis auf ein paar kleinere Brandflecken welche vom Funkenflug der Geschosse auf seine Schuppen kamen gelang es Kerr, jede einzelne Kugel abzuwehren mit welcher Lena ihn beschoss während diese sich noch immer hinter ihrem Wall aus Feuer versteckte. Ich muss sie in die Enge getrieben haben, sonst würde sie nicht zu so etwas greifen!, malte Kerr sich aus um ein Verständnis für die Situation, in welcher die Hexe sich derzeit befand zu entwickeln.
Seine oxidroten Schuppen waren juckten, teils wegen der übermäßigen Bewegung während seiner Selbstverteidigung, teils aus der Wärme seines Blutes, welches aufgrund seiner Freude nur noch weiter anstieg und gleichzeitig jeden Muskel in seinem Körper anspannten und förmlich nach mehr Bewegung und Kampf schrien ließen, kurz nachdem er die letzte Feuerkugel Lenas mit der bloßen Faust zerschlagen hatte und sie aufgrund einer kurzen Erschöpfung das übrige Feuer verfliegen ließ.
In diesem Moment leuchteten die violetten Augen des Wyvern vor purer Freude auf, ebenso wie seine spitzen Zähne sich beim darauffolgendem Lächeln größtenteils zeigten bevor er warnend rief:"Alles klar, jetzt bin ich dran!"
Kaum war sein Satz beendet, entzündeten sich goldene Flammen an den Fellkragen an seinem Hals, Handgelenken und Knöcheln was dem ohnehin schon kampflustigen Wyvern nur noch mehr Energie gab sowie antrieb, unbedingt weiterzumachen, bis er Lena besiegt hatte. Ich lag falsch. Diese Stärke kommt nicht vom Drachenherz, sondern von Kerr selbst! Die Erkenntnis, welche Lena machte versetzte sie gleichermaßen in Erstaunen wie in Alarmbereitschaft, denn anders als bisher vermutet bezog Kerr seine derzeitige Stärke nicht aus dem Drachenherzen, sondern aus seinem eigenem, übermäßigen Selbstvertrauen welches mit jedem erfolgreichen Treffer gegen sie nur noch weiter stieg. Schlussendlich kam sie zu der Erkenntnis, dass das Drachenherz ihn nicht direkt stärkte, sondern vielmehr als Katalysator seines Selbstvertrauens diente, vor allem jetzt da er sich mit ihm vereint hatte ließ sich diese Tatsache kaum noch bestreiten lassen.
Aber wenn es lediglich sein Äußeres verändert hat, was hatte dieses ganze Ritual dann für einen Sinn?, war ihr nächster Gedanke kurz bevor Kerr blitzschnell auf sie zukam, ihr gar keine Zeit mehr zur Verteidigung ließ und sie mit einer Kombination aus Tritten und Schlägen, dieses mal jedoch auch mit Feuer, welches vom bloßen Gefühl her nicht mehr mit seinem alten zu vergleichen war, unterlegt förmlich überwältigte, sie zurückdrängte und ihr erneut aufzeigte, wie hoffnungslos ein Nahkampf gegen den Wyvern war.
Mit seinem letzten Schlag brachte er sie dann erst zum taumeln, schließlich ging sie in die Knie wo er einige Schritte zurück machte um sie wieder zu Atem kommen zu lassen. Keuchend starrte Lena auf den steinigen Boden unter sich, spürte die Schmerzen an ihrem Körper bevor sie kurz etwas Blut welches sich in ihrem Mund sammelte ausspuckte, wieder aufstand ehe sie zum Gegenschlag ausholte. Zwar war die Entfernung zwischen sich und Kerr keineswegs groß, doch reichte sie um sich mit einem schnellen Feuerstoß etwas mehr Abstand zu verschaffen ehe sie Kerr wieder mit voller Stärke unter Beschuss nahm.
Da sie hier den Vorteil hatte, wollte der Wyvern ihr diesen so schnell es ging wieder abnehmen, doch anstatt ihn direkt anzugreifen, kümmerte sich die Hexe vorwiegend darum, ihren Gegner von sich fernzuhalten um ihn dann mit gezielten Schüssen zu verletzen. Ihre Verletzungen hatte sie schnell überwunden, denn je länger sie sich auf diese konzentrierte, desto mehr Zeit würde sie Kerr für einen erneuten Angriff geben und das war das letzte, was sie wollte.
Eine Zeit lang verlief dieser Plan ohne Probleme, Lena schaffte es tatsächlich, den Wyvern einigermaßen auf Distanz zu halten was ihr die Möglichkeit gab, sich wieder etwas zu erholen auch wenn sie sich dabei gleichzeitig auf ihre Magie und deren Ziel konzentrieren musste. Um sich dann noch etwas mehr Zeit zu verschaffen, schoss die bleiche Hexe eine große Feuerkugel welche kurz nach ihrem Start in zahllose kleinere Kugeln explodierte auf den Wyvern welchem nichts anderes übrig blieb, als sie allesamt abzuwehren. Dieser Funkenflug hinterließ seine Spuren an seinem Körper, gleichzeitig konnte Lena dadurch ihren Distanzvorteil nur noch vergrößern und begann damit, Kerr mit einer Reihe kunstvoll ausgeführter Feuermagieangriffen in Schach zu halten.
Obwohl es sehr ihrem üblichem Kampfstil, einem Tanz mit dem Feuer ähnelte, besaß dieser weitaus weniger Eleganz und Klasse als sein Vorgänger. Sie war ruppig, hatte kaum etwas angenehmes an sich und schien nur noch einem Zweck zu dienen: Kerr von sich fernzuhalten und gleichzeitig zu verletzen.
„Ist das wirklich alles was du noch hast?!", fragte Kerr lauthals als er vom ewigen herumgetänzel genug hatte, Lenas Flammen einfach mit seinen eigenen zerschlug oder erstickte und ihr einen grimmigen Blick zuwarf. Schnell kamen die restlichen Flammen zu ihr zurück, verschwanden in ihren Handflächen als sie antwortete:"Du willst also mehr? Dann sollst du auch mehr bekommen!" Alles was sie wollte, war Kerrs Limit herauszukitzeln, ihn an die Grenzen seiner Möglichkeiten treiben. Und wie es den Anschein hatte, war er ebenso dazu bereit, wie sie es war!
„Also dann, auf zum großen Finale dieses Tanzes!", schrie Lena voller Freude, atmete tief ein und aus als sie alles, einfach alles was sie an magischer Energie aufbringen konnte in ihrem Körper konzentrierte, an ihre Hände sendete wo sie die Form von grellem, feuerrotem Feuer annahm welches eine ungeheure Macht in sich trug. Es schien tatsächlich ihr letzter großer Zauber zu sein, denn die Hexe machte nicht den Anschein, als hätte sie danach noch etwas anderes auf Lager.
„Shivas Zorn!" Mit diesen Worten schlug Lena ihre beiden Hände auf den Boden, laut aufschrie und mit einem Mal tat sich ein ungeheures Flammenmeer auf mit direktem Kurs auf Kerr. Es war Lenas mit Abstand mächtigster Zauber, welcher sie kaum nachdem sie einsetzte komplett auszehrte und kraftlos in die Knie gehen ließ. Dennoch gelang es ihr, den Blick ihrer gelben Augen auf den noch ahnungslosen Wyvern zu richten, kurz bevor er von den Flammen verschlungen wurde. „Niemand kann sich aus diesen Flammen befreien, niemand!" Ihre Siegesschrei klang erschöpft und müde, dennoch war er voller Zuversicht, dass es das gewesen sei.
Lange Zeit wirbelte Shivas Zorn an der Stelle, wo Kerr sich bis eben noch befand, schien sein Werk gnadenlos auszuführen als plötzlich die Stimme des Wyvern klar und deutlich aus den feuerroten Flammen zu hören war:"Phönixfeuer." Es war ein Wort, welches jede Hoffnung Lenas, den Kampf gewonnen zu haben zunichte machte.
Goldene Flammen brachen durch Shivas Zorn, eine oxidrote Faust umhüllt von goldenem Feuer kam aus dem Flammenmeer heraus als dieser eine weitere folgte und schließlich Kerrs gesamter Körper, welcher eigentlich hatte verbrannt sein sollte. Kerrs weiße Fellkragen glühten in demselben goldenen Farbton, welches seine Flammen hatten, was die roten Flammen Lenas einfach in sich aufnahmen und nur noch intensiver glühten. Seine oxidroten Schuppen, das strahlende violett seiner Augen waren zusammen mit dem weißgoldenem Fellkragen das einzige, was Lena in diesem Moment mit ihren Augen erblicken konnte, alles andere, der Vulkan, das Plateau, einfach alles war nicht mehr von Bedeutung.
Er sieht aus....wie ein Phönix...., sagte sie im Gedanken voller Ehrfurcht als ohne es wollen wieder aufstand um sich Kerr, dem Wyvern welcher die Flammen des Phönix in sich trug entgegenzustellen. Stolz und Kampfbereitschaft ließen sie nicht wanken, doch diese Dinge wurden wie sie selbst in einer Flut aus golden-roten Flammen ertränkt, raubten ihr komplett die Sicht als Kerr diesen Kampf, seine Revanche, mit einem finalen Schlag in ihren Magen beendete. Beim Gefühl seiner Faust in ihrem Magen atmete sie kurz auf, versuchte zwanghaft Luft zu holen als sie letzten Endes einfach auf dem heißen Felsboden unter sich zusammenbrach. Und während sie damit beschäftigt war, Luft zu holen, sagte Kerr lediglich:"Jetzt sind wir quitt."
Unfähig etwas in ihrer derzeitigen Verfassung zu sagen beschloss Lena sich mit einem gezwungenem Lächeln auszudrücken, auch wenn ihr dies einige Schmerzen in der Magengegend bereitete. Kurze Zeit später schaffte sie es dann wieder, Worte aus ihrem Mund kommen zu lassen, wo sie sich als erstes darüber beklagte, dass dieser Kampf weitaus kürzer war, als sie ihn eigentlich gerne hätte. „Ich konnte kaum richtig in Fahrt kommen!", beschwerte sie sich woraufhin Kerr ungläubig eine Augenbraue anhob da er nicht ganz wahrhaben wollte, dass Lena noch mehr als Shivas Zorn auf Lager hatte. „Aber naja, wenigstens konnte ich sehen, was deine Grenzen sind. Das reicht mir auch, vorerst."
„Tut mir leid aber....ich hatte leider nicht die Zeit für einen solch großen Kampf, auch wenn ich es ebenso gerne gewollt hätte wie du. Die Sache ist nur, dass ich ganz dringend mit Kylan und Surasshu, vor allem mit Surasshu, sprechen muss.", erklärte Kerr sein Verhalten, wollte sich auch in keine große Erklärung ergeben sondern half Lena schnell wieder auf die Beine um mit ihr zurück zu gehen. „Nun dann sind doch schon mal zwei, die mit Kylan reden wollen wenn nicht sogar müssen!", meinte Lena mit einem kurzen Lachen wobei sie hinzufügte, dass Kerrs Grund für ein Gespräch mit dem Mehákenkönig sie weitaus mehr interessierte als es ihrer tat. „Also dann, worauf warten wir dann noch? Beeilen wir uns!" Kerr zögerte nicht, nahm Lena auf seinem Rücken Huckepack um den somit den Rückweg schnell zu bewältigen.
Die Warnung, welche Kerr von Dschinn und Ivana bekam wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen seit er das Drachenherz verlassen hatte. Aus diesem Grund war es umso wichtiger, dass er schnell wieder zu Surasshu kam denn genauso wie Kerr war auch er scheinbar in etwas geraten, was weit über ihre Erwartungen hinaus ging.
Fortsetzung folgt.....