Drachenmenschen - 01. Ein seltsamer Morgen

Story by Lord_Eldingar on SoFurry

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#1 of Drachenmenschen

Eine Story über eine kleine Gruppe von Menschen, die in ihrem Leben die Fähigkeit erlangen, die Form eines Drachen annehmen zu können.

Die Handlung begleitet einen von ihnen, der erst mit über 50 Jahren diese Fähigkeit an sich entdeckt und nun damit leben muss - manche von uns würden sicher sagen: darf. Und es klingt sicher einfacher ein Drache zu sein, als es dann wirklich zu erleben.

...

Irgendwas ist an diesem Morgen anders... aber warum? Was ist das für eine Höhle? Und warum redet der schon ältere Herr und der junge Mann so ein wirres Zeug? - Drachen? Das sind doch Märchengestalten...


Drachenmenschen

  1. Ein seltsamer Morgen

Ein kalter Hauch auf meiner Schulter weckt mich, ich hätte gestern abend wohl doch das Fenster zumachen sollen, es ist ganz schön abgekühlt. Aber jetzt aufstehen...? Nee...es ist Wochenende und ich habe auch Urlaub... Schnell die Bettdecke über die Schulter ziehen, dann wird mir schnell wieder warm.

Ich taste nach der Decke, verdammt, wo ist die denn abgeblieben, sonst wühle ich doch nicht so herum... wo ist diese blöde Decke, alles was ich in die Hand bekomme ist Gras... GRAS...?!

Schlagartig bin ich hellwach und sitze aufrecht - nein nicht in meinem Bett, überhaupt nicht in irgendeinem Bett... ich sitze auf einer Wiese. Ich blinzele und reibe mir erstmal die Augen - nicht weil ich ihnen nicht traue, denn ich fühle jetzt ja auch das Gras und den Boden unter meinem Hintern, nein, das ist einfach meine morgendliche Routine. Der ebenso routinierte Griff zur Brille geht natürlich ins Leere, falsch, ins Gras. Na gut, dann eben ohne Brille, zum Glück sind meine Dioptrien nicht so hoch.

Wie zum Henker komme ich hierher. Warum liege ich splitterfasernackt auf dieser Wiese? Gut, zum Schlafen habe ich nie viel an, oft eben auch gar nichts - aber doch nicht draußen... Zumal dieses Frühjahr bisher auch nur Sauwetter gebracht hat, kalt wars... naja, kühl - und nass. Wie auch jetzt, grauer Himmel, gerade trifft mich ein dicker Regentropfen - wieder, denn so einer hat mich wohl geweckt. Scheiße, nackt im Regen, irgendwo auf einer kleinen Wiese im Wald, keine Ahnung wo ich bin...

Hmm, ist nicht gerade dicht an Zuhause hier, ich sehe mich um. Die Wiese ist mehr eine Lichtung, vielleicht so 30 Meter lang und 20 oder 25 Meter breit. Vor mir, rechts und links erst Buschwerk, das schon dicht belaubt ist, dahinter dichter Wald, Kiefern, Tannen, Fichten - was weiß ich, diese nadeligen Dinger jedenfalls. Ich rappele mich hoch - ooooh, Schmerz lass nach...

„Gern der Zeiten gedenk ich, da alle Glieder noch gelenkig - bis auf eines. Doch die Zeiten sind vorüber, steif sind nun die Glieder - bis auf eines..."

Egal ob von Goethe oder nicht, es passt gerade wie Arsch auf Eimer. - Keine Antwort... Woher auch, ich bin hier wohl alleine. Bäume und Büsche stehen dicht, ohne Lücken um die Wiese, kein Weg, kein Pfad. Nur warum dann das Gras in der Mitte der Wiese so großflächig niedergetreten wurde, oder von wem?

Dass ich weit weg von Zuhause bin, ist offensichtlich. Ich wohne in einer eher flachen Gegend, ein paar Moränenhügel, viel Sand, dazwischen ein paar Seen. Hier aber fällt der Wald vor mir schnell ab und ich kann in ein Tal blicken, gegenüber wieder ein bewaldeter Höhenzug, und der ist keine 20 bis 30 Meter hoch, wie bei mir in der Gegend, nein eher 300 Meter und mehr über dem Tal. Hier auf meiner Seite scheint es noch höher zu sein, denn ich habe hier schon einen recht guten Ausblick. Und es geht noch höher, hinter mir geht es hinter einigen Büschen und niedrigen Nadelbäumen steil hoch und Felsen ragen aus dem Boden zwischen dem Bewuchs, der nur wenig höher wieder zu einem dichten Nadelwald wird. Etwas links ist sogar eine richtige Felswand, bestimmt 20 Meter hoch, die ich durch die Bäume davor erkennen kann.

Das hier ist also ein schon ordentliches Mittelgebirge, mindestens der Harz - nicht das End- und Grundmoränen Schwemmland wo ich wohne - und somit bin ich mindestens 150 km von zu Hause weg. Wenn ich nur wüsste, wie ich hierher gekommen bin. Ich kann mich an nichts erinnern...

Und wie komme ich wieder nach Hause? Ohne Klamotten, ohne Ausweis, ohne Geld... - Und hier in der Nähe scheint auch niemand zu wohnen, es ist totenstill - nee, quatsch, natürlich nicht. Aber nur die typischen Geräusche eines Waldes über dem der Wind weht. Obwohl ich da unten im Tal eine Straße sehe, höre ich nichts von der Zivilisation. Aber wo eine Straße ist, ist die auch nicht weit, das immerhin ist sicher.

Hmmm. Wind... der fängt gerade an, aufzufrischen... und wird von großen Regentropfen begleitet. Mist, wo sind meine verdammten Klamotten geblieben... ich latsche einmal linksrum um die Wiese, klar, dass hier auch Diesteln wachsen... danke... und Brombeersträucher, alles zugewachsen mit Brombeeren - kein Durchkommen, vor allem ohne Klamotten - die ich natürlich nirgends finde. Wie bin ich nur hierher gekommen? Das ist alles so dicht zugewachsen hier, kein Weg zu finden, nicht mal ein Wildpfad zu sehen. Da kann ich doch unmöglich durchgekommen sein, denn dann müsste ich von Kratzern übersät sein, aber ich finde keine auf meinem Körper, nur ein paar leichte jetzt an den Beinen von meinem Rundgang. Obendrein scheint es gleich hinter den Büschen ziemlich steil bergab zu gehen.

Und am Hang? Der ist zwar nicht so zugewachsen, aber steil, sehr steil und steinig. Alles andere als angenehm, da Barfuß hochklettern zu wollen. Ja, da wachsen weiter oben Bäume und auch Büsche, da würde es wohl gehen, aber da muss ich über so eine Felsklippe erst mal hinkommen - das hatte ich vorhin gar nicht bemerkt, dass hier eine über 5 Meter hohe Steilkante über die ganze Länge der Wiese verläuft, die war durch Büsche und die paar Nadelbäume gut getarnt. Für einen Freeclimber sicher nur eine Dehnübung - aber ich stehe vor einem Riesenproblem.

Langsam wird es ungemütlich, der Regen wird stärker, ich bin inzwischen nass und der Wind kühlt mich ganz schön ab, auch wenn es hier vor dem Felsen etwas besser auszuhalten ist. Niedergeschlagen tappse ich die Felswand entlang, links Büsche, rechts der Felsen - hier ist der Wind etwas schwächer. Hoffentlich finde ich irgendwas hier, ein dichtes Gebüsch, dass mir etwas mehr Windschutz gibt, eine Spalte in den Felsen, vielleicht ein kleiner Überhang unter dem es trocken ist... - Scheiße, ich kann doch nicht nur Pech haben... Ein Ausbruchsversuch aus diesem Gefängnis ist mir jetzt zu gefährlich, alles ist mittlerweile nass und rutschig, ohne Seil keine Chance.

Was ist das da, am Ende der hohen Klippe... jetzt so entlang der Felsen sehe ich da einen Einschnitt, breit genug, dass da ein Auto durchpassen würde. Den habe ich vorhin von der Wiese aus nicht bemerkt, weil der erst ein Stück parallel zur Wand verläuft und von hohen Felsen davor verdeckt wird - zudem wachsen gerade da die dichtesten Büsche. Hoffentlich ist das nicht nur so ein Einschnitt, aber es sieht so aus, als ob da am Ende Felsen über die Spalte ragen... bitte, lass da so eine kleine Grotte sein, trocken und windgeschützt...

Schneller jetzt, mir ist kalt... au, die Steine hier sind böse spitz, aber weiter, denn da ist wirklich so eine Aushöhlung, die von überhängendem Fels überdacht wird, bitte, lass es trocken sein... noch ist der Boden nass, aber... hmm, da geradeaus geht eine schmale Spalte weiter, aber die ist nass und der Boden sieht mir nicht gerade danach aus, dass ich da barfuß gerne laufen würde. Aber rechts weicht der Fels etwas zurück... oh, das geht hier um die Ecke aber ein ganzes Ende rein - und der Boden wird trocken und ist auch einigermaßen eben! Hurra!

Mal sehen, da vorne scheint es nochmal etwas nach rechts weiter zu gehen, vielleicht finde ich hier auch angewehtes trockenes Laub oder so was, wenn ich mich damit zudecken kann, wird mir sicher auch wieder warm und ich kann den Regen abwarten - sonst muss ich mir draußen noch schnell ein paar Äste von den Büschen brechen, damit ich mir so eine Art kleine Hütte in der Höhle baue. Die hält dann meine Körperwärme ein wenig, das ist dann auch sicher auszuhalten. Eine Plastikplane wäre jetzt geil, die hält die Luft fest, damit könnte es sogar richtig angenehm warm werden.

Ja, ein wenig Laub liegt hier, aber nicht gerade viel. Moment, geht das da hinten links nochmal um die Ecke? Der Boden ist zwar recht uneben, jetzt lehmig, aber fest und auch barfuß gut zu begehen. Ja tatsächlich, da geht der Gang weiter. Immer noch breit genug, dass ein Auto durchpassen würde, allerdings käme das nicht um die Ecken.

Aber das ist definitiv kein Felsüberhang, keine kleine Grotte, das ist schon ein massiver Höhlengang, wie mir scheint natürlich, obwohl die Maße so eigenartig gleichmäßig sind, weder Breite noch Höhe ändert sich wesentlich, doch ich erkenne keine Bearbeitungsspuren an den Wänden und der Boden ist auch recht uneben. Hmmm, wenn das hier der Harz ist, könnte das aber auch ein Zugang eines alten Bergwerkes sein, wenn das alt genug ist, glaube ich kaum, dass ich das wirklich als solches erkennen könnte - so um zwei Ecken wird es auch langsam dunkel hier drin, zudem ist der Tag ohnehin nicht besonders hell.

Ein Stück gehe ich aber noch, vielleicht finde ich ja doch noch was brauchbares - oder der Gang führt mich auf der anderen Seite wieder nach draußen - schließlich muss ich ja irgendwie hierher gekommen sein.

Mittlerweile ist mir auch wieder einigermaßen warm geworden, hier drin ist es zwar nicht sehr warm, aber die ruhige Luft ist deutlich angenehmer zu ertragen als der Regen und Wind draußen.

Vorsichtig taste ich mich weiter, denn langsam ahne ich mehr meine Umgebung, als dass ich sie noch sehe. Zum Glück stoße ich nirgends an, trete in kein überraschendes Loch im Boden, fast scheint mir, dass ich alles irgendwie rechtzeitig ahne. Ach Quatsch, wie soll das gehen, ich bin einfach nur vorsichtig genug unterwegs hier.

Schlagartig wird der Boden eben, fast wie poliert fühlt sich das an unter den Füßen, und irgendwie angenehm, wie zu Hause - leider keine Fußbodenheizung...

Dann geht es noch einmal nach rechts um die Ecke und ich stehe vor... - Scheiße. Obwohl von der Decke durch ein paar waagerechte Spalten gerade genug Licht fällt, dass ich alles erkennen kann, sehe ich keinen Ausgang. Ich stehe in einer großen Höhle.

Also auch kein Ausweg aus meinem Gefängnis hier. Und ich war mir schon so sicher, dass mich irgendwer durch diesen Gang auf die Wiese da draußen gebracht hatte

Aber auf der anderen Seite... Die Höhle macht einen irgendwie gemütlichen Eindruck auf mich. Der Boden ist der Fels, der irgendwie sorgfältig geglättet wurde. Das sieht mir nicht so wirklich natürlich mehr aus. Rechts fließt aus einer Felsspalte klares Wasser in ein Becken, in dem ich locker baden könnte. Ich probiere vorsichtig - frisches, klares Wasser, das besser schmeckt, als alles, was ich an Mineralwasser bisher probiert habe. Erst jetzt merke ich, wie durstig ich bin und trinke mich erstmal satt. - Gut, verdursten werde ich hier also nicht. Das gibt mir Zeit, denn ein paar Fettreserven habe ich durchaus im Angebot...

Links sieht es so aus, als ob dort mal ein Feuer gebrannt hat, aber es ist weder Asche, noch Feuerholz zu sehen. Davor in einer Bodensenke eine Menge Stroh, mit Heu abgedeckt, bestimmt 6 oder 7 Meter lang und etwa halb so breit... Ein Futterlager? Ich gehe näher ran, das liegt schon länger hier, auch wenn ich es reibe, riecht das Heu kaum noch. Aber es ist trocken und sauber, keine Spur von Fäulnis. Jetzt erst bemerke ich in einem Winkel in der Rückwand ein Loch, fast kreisrund, wenigstens 3 Meter im Durchmesser. Schnell hin, vielleicht... - nein, kein Ausgang... aber was ist das...? eine annähernd kugelförmige Höhle - vermute ich jedenfalls, denn auch hier ist reichlich Stroh und Heu hineingestopft worden - und das ganze dann mit Wolle oder wer weiß was für Haaren ausgepolstert... Auch hier keine Spur von Schmutz, Nässe oder Fäulnis. Nicht mal die Tierhaare haben einen Geruch, fast klinisch sauber das ganze. Irgendetwas sagt mir, dass meine Matratze zu Hause schmutziger ist, als diese kuschelige Butze.

Dieser Alkoven ist eindeutig ein Nest! Kein Vogelnest, mehr so eine Art Kobel - aber welches heute noch lebende Tier baut sich ein Nest mit einer Liegefläche von reichlich 6 Metern Durchmesser...

Allerdings fühle ich mich recht sicher, das Ganze sieht so unbenutzt aus, hier ist seit einigen Jahren schon kein Tier mehr drin gewesen.

Ich mache meinen Rundgang zu Ende... nix. Kein Ausgang, kein weiterer Gang überhaupt. Auch nicht meine Kleidung, nichts zu essen - obwohl ich keinen Hunger verspüre, ich muss wohl etwas gegessen haben in der Zeit, die mir im Gedächtnis fehlt. Auch keine Hinweise, was passiert ist, warum ich hier bin, wer oder was diese Höhle eingerichtet hat, nicht mal wo ich eigentlich bin.

Langsam wird mir doch wieder kühl - und ich merke, dass ich wieder - oder immer noch - müde bin. Lange kann ich also nicht da draußen gelegen haben, als mich der Regentropfen geweckt hat. - Wenn ich mich doch wenigstens an irgendwas erinnern könnte, was heute nacht passiert ist...

Eigentlich ist es ja noch früh am morgen, am besten lege ich mich nochmal hin und schlafe vielleicht ein wenig - und vielleicht erinnere ich mich dann ja, was passiert ist. Ein Traum ist das jedenfalls nicht, es fehlen die plötzlichen Sprünge, die Handlungsbrüche, Personen, die eben noch da waren und jetzt jemand ganz anderer sind - ohne dass es einen stört, das alles nicht recht zusammenpassen will. Nein, das was hier nicht zusammenpasst, das stört mich... ganz gewaltig sogar!

Aber jetzt kann ich ohnehin wenig machen. Es regnet jetzt kräftig, ich höre deutlich Wind und Regen draußen, diese Höhle hat eine eigentlich geniale Akustik...

Ich schaue nochmal in den Kobel, aber obwohl der mir sehr kuschelig erscheint, fehlt mir etwas zum zudecken und ich will hier nichts auseinander reißen, denn wer weiß, vielleicht ist das ganze ja so eine Schau- oder Märchenhöhle oder so was.

Aber in der Grube vor der Feuerstelle, oder was auch immer... da ist reichlich Heu, ich habe zum Glück keine Allergie gegen Gräser... Und auch wenn das Heu vielleicht etwas pieksig ist, das ist momentan die beste Bettdecke die ich hier finden kann.

Also grabe ich mich in das Heu und überlege, während ich dem Wind und dem Regen draußen zuhöre. - Woran kann ich mich noch erinnern... Gestern abend, Freitag... Ich habe jetzt zwei Wochen Urlaub, aber keine Lust heute Abend was zu kochen, also gehe ich los, mir einen Döner holen. Ich wohne ein wenig außerhalb, also dauert das etwas. Unterwegs fällt mir so ein Typ auf, der mir nachzulaufen scheint. Eigentlich ein unauffälliger Typ, dem traue ich eigentlich keinen Überfall zu, selbst gegen mich müsste er schon eine Waffe einsetzen. Aber ich bemerke, wie er an verschiedenen Stellen steht und mich möglichst unauffällig beobachtet - nicht unauffällig genug, denn ich bemerke ihn ja oft genug.

Auf den Rückweg verputze ich den Döner, ich hab Hunger. An zwei Stellen bemerke ich den Typen wieder. Und plötzlich, in einem Waldstück kurz vor meiner Wohnung steht er unvermittelt vor mir, sagt irgendwas, was ich nicht verstehe und dann... wache ich hier auf der Wiese auf... dazwischen ist nix... gar nichts. Scheiße, was hat der mit mir gemacht? Aber ich habe kein Schädelbrummen, keine Kopfschmerzen, keinen Kater von was auch immer.

Was hat der gemacht? Was hat der gesagt? - Ach Mist, erinnere Dich...!

Ich war auf dem Rückweg langsamer unterwegs, denn ich wollte mich nicht vollkleckern, hab mir Zeit gelassen... Dann stand er da, starrte mich an und wurde plötzlich irgendwie aufgeregt. Was sagte er dann...? Nein, er rief mir etwas zu, er war ja noch ein gutes Stück weg... Dann... wurde ich hochgehoben oder war es nur, weil er auf sein Knie ging...? 'Herr, bitte wartet, geht nicht...' -

Ich schrecke hoch. War das ein Traum oder eine Erinnerung in diesem schwebenden Moment direkt vor dem Einschlafen...?

Es regnet noch. Aber das war es nicht, was mich geweckt hat. Da war ein Geräusch, eines das nicht hierher gehört... Ein Fremder in meiner Höhle... Er wird bedauern, mich gestört zu haben...

Huh, ich muß wohl noch träumen... - Aber ich höre wirklich leise Schritte, vorsichtige Schritte, die langsam näher kommen. Er ist biegt gerade um die erste Ecke nach rechts, kommt an dem Laubhaufen vorbei. Bleibt stehen und horcht - gut, das Horchen vermute ich jetzt mal, das kann ich nicht hören... geht dann langsam weiter. Ich rühre mich nicht, wenn ich ihn höre, wird er mich auch hören können - und vielleicht bekomme ich so einen kleinen Vorteil...

Jetzt die Ecke linksherum, er stolpert in Loch, fällt aber nicht. Langsam weiter... Endlich, nach gefühlten Ewigkeiten höre ich, wie er den geglätteten Boden betritt.

Offensichtlich kennt er die Gegebenheiten hier, denn sofort wird sein Tritt wieder sicherer, gleichzeitig aber auch noch vorsichtiger. Und sein Atem geht deutlich schneller, keine Anstrengung, eher Anspannung, Nervosität... Die Schritte stoppen.

„Herr, seit Ihr hier? - Bitte vertraut mir, Herr. Ich bin auf Eurer Seite. - Herr?"

Leise aber deutlich zu vernehmen ist seine Stimme. Die Stimme, an die ich mich vor dem Einschlafen erinnert habe. Das ist der Typ, der mich verfolgt hatte gestern abend...

Was will der? Ich soll ihm vertrauen? Dabei müsste er doch für das hier alles verantwortlich sein, nach meiner Erinnerung jedenfalls. Und dann diese altertümliche Redeweise...

„Herr... Ich betrete jetzt die Höhle. Bitte bleibt ruhig, ich bin Euer Freund. Und ich kann Euch auch nicht gefährden, Ihr habt nichts zu befürchten und müsst mich nicht bekämpfen, Herr... Bitte Herr, sagt etwas... - Verzeiht Herr, ich komme jetzt herein..."

Seine Stimme klingt zwar etwas aufgeregt, beweist aber auch ein starkes Selbstvertrauen. Und sie klingt sympathisch... Naja, er kommt ja jetzt, dann schauen wir weiter.

Langsam, aber mit sicheren Schritten kommt er um die Ecke, geht noch drei Schritte in die Höhle und bleibt dann stehen. Er trägt nicht mehr dieses 'Man in Black'-Outfit von gestern, jetzt würde ich ihn für einen höheren Forstbeamten halten in dem gepflegten aber funktionellen Waldgrün und den hochwertigen Wanderstiefeln. Jetzt sehe ich auch erst, dass er sicher schon um die siebzig sein wird. Und er macht nicht den Eindruck, als ob er irgendetwas gegen mich im Schilde führt... - Vorsicht... nicht täuschen lassen - traue keinem Menschen...

Er blickt sich schnell, aber aufmerksam um, bemerkt mich aber nicht. Seine Aufmerksamkeit richtet sich im wesentlichen auf den Eingang zum Schlafkobel. Gut, aber leider ist er da, wo er steht immer noch zu weit weg, um ihn überraschend angreifen zu können. - Moment, muss ich ihn wirklich angreifen? Er sagte doch, dass er mein Freund sei... Freunde greift man nicht an... - Aber kann ich ihm vertrauen? Traue keinem Menschen... irgendwer hat mir das gesagt... nur Deinem... Krasanor... wem?

„Herr, Ihr seid hier, ich weiß es, ich spüre Eure Präsenz. Verzeiht Herr, Ihr tarnt Euch, doch ich als Euer Khrrah'Sszanorr darf Eure Gegenwart spüren. Bitte Herr... Trrãh, tza tzurr Khrrah'Sszanorr kúrr. Tza tzurr Trra'áh kúrr. Dá szschri..." -

Traue keinem Menschen, nur Deinem Khrrah'Sszanórr, Deinem Mentor...

Er... er ist mein Mentor? Mein Khrrah'Sszanórr? - Aber er hat ja auch die Sprache gesprochen, nur ein Mentor kann das wissen... 'Herr, ich Euer Mentor bin, ich Euer Freund bin, Bitte erscheint.' So eigenartig das wörtlich übersetzt klingt, die Grammatik ist richtig, auch wenn seine Aussprache etwas menschlich ist.

Moment... was denke ich da gerade...?

Doch, er muß ein Mentor sein, einer der mich führen kann.

Ich richte mich schnell auf, bleibe aber hocken, sprungbereit.

„Warum haben Sie mich entführt und hierher gebracht?" -

Er zuckt sichtlich erschreckt zusammen und fährt herum, weil ich da am Rande seines Blickfeldes so plötzlich auftauche.

„Hooh, Herr... Jetzt habt Ihr mich aber wirklich erschreckt... Danke, dass Ihr ein Mensch seid." -

Was redet der da...? Natürlich bin ich ein Mensch.

„Warum bin ich hier, wo bin ich überhaupt und wo ist meine Kleidung?"

Mein scharfer Ton und meine deutliche Verärgerung scheint ihn zu beunruhigen.

„Herr, ich versichere Euch, ich bin Euer Freund." -

„Und warum bin ich dann hier?" -

Ihr seid selber hierher gekommen. Wir sind Euch nur gefolgt, um Euch wieder in Euer Heim zu bringen." -

Was faselt der da eigentlich? Wie soll ich selber hierher gekommen sein? Ich weiß ja nichtmal, wo ich eigentlich genau bin...

„Sie wollen mir also nicht antworten? - Nun, Sie können ja versuchen, ein Lösegeld zu erpressen, da wird nichts rauskommen - sie können mich dann auch gleich umbringen..." -

Sein Gesicht verzerrt sich geradezu vor Schreck.

„Herr! Wir sind nicht hier, um Euch umzubringen. Wir haben Euch auch nicht entführt, Ihr könnt Euch vermutlich jetzt nicht erinnern, aber Ihr seid wirklich selber hierher geflogen. - Wir sind nur hier, um Euch zu helfen." -

Es wird immer besser... jetzt soll ich sogar geflogen sein...

„Ich habe keinen Pilotenschein." -

„Das ist richtig, aber Ihr braucht auch keinen." -

„Was soll das jetzt heißen?" -

„Ich glaube, es wird schwierig, Euch jetzt das mit dem Drachen zu erklären..." -

„Das glaube ich auch. Da draußen liegt kein Hängegleiter, mit dem ich hierher gekommen sein könnte - und nebenbei brauche ich auch dazu einen Flugschein..." -

„Schon richtig, Herr. - Nebenbei, habt ihr verstanden, was ich gesagt habe?"

„Dass Sie mein Khrrah'Sszanórr, mein Mentor sind?" -

Er kniet, etwas angestrengt, nieder und neigt seinen Kopf.

„Richtig Herr. Ich habe die Ehre Euer Mentor sein zu dürfen." -

„Deine Aussprache ist sehr weich. Du rollst das zweite 'r' zu kurz und 'Herr' und 'Freund' sind kaum zu unterscheiden. In Herr das 'a' nasaler und in Freund die 'a' minimal trennen und das zweite noch länger sprechen. Die schwierige Zischlautkombination von 'erscheinen' hast Du jedoch überraschend gut gemeistert. Ich erkenne, dass nur ein Mentor das so beherrschen und wissen kann." -

Was zum ... Rede ich da eigentlich. Obwohl das alles klar vor meinem inneren Auge steht, habe ich keine Ahnung, wieso und was ich da eigentlich weiß...

Aber er verneigt sich nur noch ein wenig tiefer.

„Ich danke Euch für Eure Belehrung, Herr. Verzeiht, die mangelnde Übung, darum danke ich Euch auch für Eure menschliche Form. Aber ihr habt mir soeben auch bewiesen, dass Ihr der seit, den ich suche." -

Raffinierter Bursche... der beherrscht die Sprache vermutlich besser als ich und hat mich nur getestet... - Moment, ich beherrsche diese Sprache überhaupt nicht, welche auch immer das sein soll...

Er hockt da immer noch auf seinem Knie, den Kopf tief geneigt...

„Bitte, nimm eine bequemere Haltung ein. - Enschuldigung, ich duze Sie hier so einfach..." -

Was treibt mich eigentlich dazu, so einen Quatsch zu reden... - Schließlich scheint er zu wissen, warum ich hier bin - also soll er verdammt nochmal sein Maul aufmachen und mir endlich sagen, was das alles hier soll!

Er hebt seinen Kopf und atmet sichtlich auf.

„Verzeiht Herr, darf ich aufstehen, das knien ist doch etwas anstrengend in meinem Alter..." -

„Mach doch, was Du willst..." -

„Danke Herr, Ihr seid wirklich sehr freundlich. Eure Vorgänger hatten mir deutlich länger eine angemessen unterwürfige Haltung abverlangt. Seid bitte gewiss, dass es keine Missachtung Eurer Herrschaft ist, wenn ich mich etwas entspannter Euch gegenüber bewege." -

„Äh, was...? - Achso... Ja, schon gut, Sie sind ja noch etwas älter als ich. Moment, Herrschaft?" -

Ich verstehe jetzt gar nichts mehr...

„Verzeiht Herr, mir steht nicht zu, von Euch so angesprochen zu werden." -

„Wie dann? Und warum sprechen Sie in dieser Altmodischen Form zu mir?" -

„Es ist die angemessene und mir zustehende Form, Euch ansprechen zu dürfen, Herr. Und mir steht das Du zu, dass Ihr ja schon verwendet habt. So ist es Gesetz und Recht, Herr." -

Was für ein Unsinn soll das jetzt sein? Mir steht so eine hochtrabende Anrede zu und ich darf ihn einfach so Duzen?

„Damit wären wir wieder bei meiner Frage... Welche Herrschaft, und welches Gesetz und Recht?" -

„Eure Herrschaft, Herr. Und das Gesetz Eures Volkes." -

Na sischer datt...

„Ja, nee ist klar jetzt. Ich bin Ralf der Erste, Kaiser von Deutschland..." -

„Werdet bitte nicht unlogisch, Herr."

Ich will eigentlich etwas unwillig brummen, aber es klingt eher wie ein leicht wütendes Knurren, das mir entfährt. - Aber das hat auf ihn eine schon erschreckende Wirkung...

Er zuckt zusammen, sein Gesicht wird zur Maske blanken Erschreckens und er hebt abwehrend die Hände, als ob ich gerade dabei wäre meine Krallen in seinen Körper zu schlagen. - Wie komme ich auf Krallen...?

„Bei der ... Bitte verzeiht Herr, bitte zürnt mir nicht, ich bitte Euch..." -

„Ja, genug gebeten..." -

Er soll mir endlich sagen, was hier passiert... - Aber ich spüre, dass ich vielleicht ruhig bleiben sollte, um hier endlich raus zu kommen.

„Oh bitte verzeiht Herr, ich wollte Euch nicht beleidigen..." -

Er beobachtet mich genau, ich habe mich jetzt entspannt hingesetzt und stütze mich mit dem linken Arm ab. Das scheint zu helfen, sein hektischer Atem beruhigt sich langsam, sein Herzrhythmus wird wieder regelmäßiger und der deutliche Geruch der Angst nimmt wieder ab.

Aber woher... gut das Atmen ist ja schon zu sehen, aber ich höre tatsächlich seinen Herzschlag und in der Luft ist ein Geruch, der erst seit seinem Erschrecken sehr stark wahrzunehmen ist und von dem mir alles sagt, dass es Angst ist.

Wieder spüre ich einen starken Zorn in mir aufsteigen. Was ist hier los, zum ... - Ich atme tief durch und der Zorn verebbt wieder. - Tja, und wenn er unbedingt will, dass ich ihn Duze...

„Sag mir doch bitte, was passiert ist. Warum hast Du mich verfolgt, warum und wie bin ich hierher gekommen, wo ist meine Kleidung, was ist das mit dem Herrn und dem Volk, was für eine Sprache hast Du vorhin gesprochen - und warum habe ich es verstanden?" -

Er steht jetzt wieder einigermaßen entspannt da.

„Nun, das... Oh, mir fällt da gerade ein, ich habe Euch doch Kleidung mitgebracht, Ihr wollt euch sicher etwas überziehen, einen Moment..." -

Mit eiligen Schritten geht er zum Eingang. Aber mein hartes

„Lenk nicht ab!" lässt ihn schlagartig stehenbleiben.

Hat er so viel Angst vor mir? Ich kann ihm doch nicht viel anhaben, will es doch auch gar nicht. -

„Herr, bitte. Ich werde Euch alles erklären, aber das dauert ein wenig. Wollt ihr nicht etwas überziehen und vielleicht auch in Euer Heim zurückkehren?" -

„Erst beantwortest Du mir meine Fragen." -

„Natürlich Herr, wie Ihr befiehlt. Ich probiere es mal so, auf alle Eure Fragen gibt es eine gemeinsame Antwort..." er macht eine bedeutungsschwere Pause, aber auf meinen Blick beeilt er sich.

„äh, die Antwort lautet 'Drache' Herr." -

Aha, klar das sagt alles. Drache, schon wieder... Ich zucke mit den Schultern.

„Das hatten wir doch schon - und was hat so ein Hängedrachen mit dem hier alles zu tun? Da draußen liegen keine Trümmer, ich bin hier nicht abgestürzt, weil ich besoffen einen Hängegleiter geflogen bin. - Ich kann überhaupt nicht fliegen." -

Er schüttelt den Kopf, irgendwie wirkt er erleichtert.

„Nein Herr. Das wäre zwar durchaus auch eine Erklärung, aber nein, nicht so ein Fluggerät. Ich meine die gemeinhin als mythische Sagenwesen verklärten Herrscher der Luft, der Erde und des Feuers." -

„Drachen..." -

„Ja Herr, Drachen." -

„Groß, vier Beine, Flügel, scharfe Krallen und Zähne, Schuppen, Hörner... sehen aus, als ob sie Dich immer als nächste Zwischenmahlzeit ansehen würden, Feuer spucken und Ritter sind eine Fertigmahlzeit in der Dose... solche Drachen...?" -

„Äh, ja... in Deinem Fall solche Drachen, Herr." -

Ein wenig schmunzelt er jetzt.

Oh weh... wohin bin ich geraten... Drachen.

Ich schüttele den Kopf.

„Du willst mir doch nicht erklären, dass mich ein Märchenwesen hierher verschleppt hat." -

„Natürlich nicht, Herr. Ihr seid selber hierher geflogen." -

Na super, wir drehen uns im Kreis... Aber er sieht aus, als ob er es ernst meint. Ich gebe auf.

„Natürlich... wie auch sonst... Wirst Du mich nach Hause bringen?" -

„Auf dem kürzesten Weg, wenn es Euer Wunsch ist, Herr." -

„Ja, das ist mein Wunsch." -

Ich habe keine Lust mehr - der Typ wirkt auf mich zwar sehr schräg, aber irgendwie spüre ich, dass er mir wirklich helfen will. Ob und wie er mit meiner Entführung und dem hier zusammenhängt, kann ich ja später noch herausfinden. Und wie soll ich sonst wieder nach Hause kommen... er ist die beste Möglichkeit, die ich jetzt habe. Also los, gerade will ich aufstehen...

„Verzeiht - die Kleidung, Herr?" -

„Oh... ja... die Kleidung..." -

Irgendwie fühle ich mich müde, nicht körperlich, aber geistig.

„Herr." -

Er hält mir eine Sporttasche hin.

„Ja..." -

„Ist etwas mit Euch Herr, fühlt Ihr Euch nicht wohl?" -

Ich greife die Tasche.

„Nein... Doch... - Ich meine, alles in Ordnung, ich möchte jetzt nur nach Hause. Ich kann mich zwar nicht erinnern, aber ich habe wohl wenig geschlafen seit gestern abend." -

„Natürlich Herr. Verzeiht, ich konnte in der Eile nichts besonderes einpacken, ihr wart so plötzlich aufgebrochen und seid zudem sehr schnell, Herr. Von Euren Kleidern konnte ich nichts retten, doch Eure Geldbörse und die Schlüssel sind mit in der Tasche."

Ich schaue hinein. Ein Sweat-Anzug, Badelatschen und ein Regencape. Und wie gesagt, meine Geldbörse - offensichtlich vollständig, auch das Geld - und mein Schlüsselbund.

„Verzeiht Herr. Es ist nur meine Notfallausrüstung, ihr wart so schnell unterwegs, ich konnte keine bessere Kleidung in der Eile einpacken. - Und... es war schon vorgestern abend... Herr..." -

„Vorgestern? - heute ist schon Sonntag?" -

Er nickt. Himmel, zwei Nächte und ein Tag futsch, weg, keine Erinnerung... Und er kommt mir mit einem Drachen...

„Verzeiht Herr, Ihr erinnert Euch nicht an die Zeit dazwischen?" -

Ich schüttele den Kopf, während ich den Anzug überziehe.

„Nein, nichts, gar nichts. Was ist in der Zeit passiert?" -

„Ich kann Euch auch nur grob sagen, was alles währenddessen passiert ist. Ich war Euch zwar immer auf der Spur, was sehr schwierig war, aber eben nicht direkt dabei. Erlaubt, dass wir jetzt erst zum Wagen gehen und uns auf den Weg machen, ich erkläre Euch unterwegs, was ich Euch jetzt sagen kann." -

Ich nicke nur und stecke dann Börse und Schlüssel in die Taschen des Anzuges. Hübsch sehen diese Sweat-Dinger ja nicht aus, aber sie sind warm und praktisch - und passen über mehrere Größen so einigermaßen. Dann werfe ich das Regencape schnell über und stecke die Badelatschen in die Taschen des Capes.

Er blickt mich verwundert an.

„Die Latschen sind mir etwas klein. Ich ziehe sie an, wenn es steinig wird, aber sonst laufe ich barfuß sicherer. - Naja und da es noch kräftig regnet, kann ich das Cape ja auch gleich anziehen." -

Er nickt lächelnd.

„Ja... Ihr hört den Regen?" -

„Ja, deutlich, die Höhle hat eine sehr gute Akustik. Du nicht?" -

„Das Alter, Herr, das Alter..." -

Irgendetwas stört mich an seinem Tonfall, er sagt nur teilweise die Wahrheit, bzw. nicht alles. Und er wiederum sieht mir meine leichten Zweifel an.

„Verzeiht Herr. Euer Gehör ist besser als früher, ebenso Eure Augen - ihr habt bei unserem ersten Zusammentreffen vorgestern noch eine Brille getragen..." -

„Ja, die ist auch weg, wie meine Kleidung." -

„Vermisst ihr die Brille?" -

Jetzt wo er danach fragt... Nein. Alles hier in der Höhle kann ich scharf sehen. Und heute morgen draußen... Da habe ich auch auf allen Entfernungen alles scharf gesehen...

„Was zum..." -

Er hebt seine Hand.

„Herr, wenn Ihr erlaubt später. Sobald wir unterwegs sind. Aber wir sollten vielleicht doch jetzt aufbrechen, ehe mein junger Freund im Wagen unruhig wird. Er ist noch ein wenig wild und ungezämt, das wird vermutlich Eure Aufgabe werden, ihn zu einem besonnenen Vertreter Eures Volkes reifen zu lassen, der Ihr offenbar bereits seid." -

Er macht eine einladende Handbewegung und geht mir dann voraus, als ich mich seufzend auf den Weg mache.

„Du hast ja schon immer von 'wir' gesprochen, also Verstärkung mitgebracht..." -

„Ja. Aber nur als Rücksicherung, falls Ihr noch nicht wieder erwacht wäret und mich angegriffen hättet. Herr - Bei der ersten Wandlung handelt ein Drache instinktiv und kann gefährlich werden. Ich betone kann, denn Ihr habt euch in der Zeit seit Freitag abend als eher vorsichtig und friedlich gezeigt. Daher habe ich es auch gewagt, alleine hierher zu kommen." -

Am besten ignoriere ich das Gefasel mit dem Drachen einfach...

„Hmmm nicht mehr jedes zweite Wort 'verzeiht'...?" -

„Ich spüre, dass es Euch missfällt, Herr." -

„Aber immer noch Herr und Euch..." -

„Herr, Eure Stellung gebietet es mir." -

„Welche Stellung ist das?" -

„Herr, bitte verzeiht... Ich darf es Euch nicht sagen." -

„Du weißt es?" -

„Ich habe eine Vermutung. Die Weisen sagen uns Mentoren nicht alles. Herr, bitte verzichtet darauf, mir zu befehlen es Euch zu sagen. Ich möchte die Zukunft nicht beeinflussen, denn das könnte passieren." -

„Du würdest es mir sagen, wenn ich es verlange?" -

Er bleibt stehen und blickt mich verzweifelt an.

„Herr, bitte... ja, ich bin verpflichtet, Euch zu gehorchen." -

„Ich verstehe. Aber warum auch immer, ich habe das Gefühl, dass ich es eigentlich gar nicht wissen will. Du kannst diese Vermutung also für Dich behalten." -

Er atmet sichtlich auf.

„Ja Herr... danke Herr, ihr versteht meine Besorgnis." -

„Ich verstehe gerade eigentlich gar nichts mehr... Vorsicht, Stufe." -

Er bleibt sofort stehen und tastet vorsichtig mit dem Fuß. Vor ihm geht es fast 30 Zentimeter runter. Vorsichtig steigt er die Stufe runter.

„Danke Herr. Ihr habt mich vor einem bösen Sturz bewahrt. Es ist für einen Menschen viel zu dunkel hier." -

„Hmmm, ich bin auch ein Mensch." -

„Ihr wusstet es nicht, aber Ihr wart nie ein Mensch - oder doch schon, aber kein gewöhnlicher." -

Wir gehen weiter, ab hier gibt es keine besonderen Hindernisse mehr.

„Was denn dann... - ein Drache?" -

Ich grinse vor mich hin, was er offensichtlich ja nicht sehen kann. Er scheint meinen Scherz aber ernst zu nehmen...

„Ja, ein Drachenmensch." -

Jaaa... klar doch... Aber ich bleibe höflich, ich will nach Hause.

„Was bedeutet das?" -

„Ihr habt die Gabe, Euch in einen Drachen wandeln zu können." -

Super, wollte ich schon immer mal...

„So einer wie Draco aus Dragonheart?" -

Er lässt sich nicht beirren.

„Ihr seid schlanker, viel schlanker, aber ja, so in der Art. Auch in etwa so groß." -

„Moment, so groß wie Draco... meine letzte Erinnerung ist, dass ich irgendwie hochgehoben wurde..." -

Er nickt.

„Ihr wandeltet Euch in Eure wahre Form und blicktet dabei auf mich herab." -

Kann es...? Nee... unmöglich.

„Also wenn schon ein Drache, dann doch wohl eher, dass einer hinter mir stand, mich geschnappt und hochgehoben hat. Und Du willst mir jetzt einreden, ich sei ein Drache, damit ich noch unglaubwürdiger bin..." -

Er sieht mich kurz an und grinst.

„Wir machen Fortschritte, Herr. Immerhin akzeptiert Ihr bereits die Existenz eines Drachen..." -

„Ja natürlich, sicher..." -

Das ist wirklich schräg. Er bringt das ganze mit einer Selbstsicherheit, dass ich langsam wirklich meine Zweifel bekomme, ob nicht doch irgendwo Drachen herumlaufen. Aber ich kann kein Drache sein. Das gibt es einfach nicht. Wie soll ein Mensch ein Drache werden können...? Und vor allem: ich bin auch schon über 50... Da muss es doch irgendwelche Anzeichen gegeben haben. Aber ich habe nichts bemerkt.

Eines macht mich aber jetzt wirklich nachdenklich... Ich war mein Leben lang kurzsichtig, langsam kommt die Alterssichtigkeit dazu... und heute sehe ich alles ohne Brille in einer nie gekannten Klarheit... Und wie kann ich seine Herzrhythmus-Störungen hören... - Nein unmöglich, das bilde ich mir alles nur ein.

Wir erreichen den Eingang der Höhle, hier ist alles klatschnass, es regnet junge Hunde...

Mein Mentor zeigt nach rechts, die schmale Spalte, die ich heute morgen vermieden hatte, weil der Boden so steinig ist. Da ist also der Zugang zu dieser Wiese, aber wie und warum die mich hier durchgeschleppt haben...?

Ich ziehe die Badelatschen aus den Taschen und schlüpfe hinein. Deutlich zu kurz die Dinger, aber es reicht, dass ich etwas Gummi zwischen den scharfkantigen Steinen und meinen nackten Sohlen habe. Der Spalt windet sich hin und her, wir folgen ihm etwa 50 Meter, dann kommen wir hinter einem dichten Gebüsch heraus. Keine Dornen, nur sehr dicht gewachsen, der Mentor winkt mir und führt mich einige Schritte seitlich durch die Zweige. Überrascht stehe ich auf einem Pfad, der hier der Felswand recht nahe kommt, dann aber auf beiden Seiten mehr Abstand gewinnt. Rechts geht es offenbar weiter den Berg hinauf, links nach unten. Und nach unten leitet mich mein Begleiter. Er geht weiter voran, nach einigen Stolperern ziehe ich die Latschen wieder aus und stecke sie zurück in die Taschen im Regencape. Hier auf dem Waldboden läuft es sich auch Barfuß ganz gut, vor allem rutsche und stolpere ich nicht so leicht. -

Er dreht sich kurz zu mir um und betrachtet mich lächelnd.

„Ihr geht öfter Barfuß?" -

„Eigentlich sehr gerne, ja. Nur manchmal sehr eierig..." -

„Empfindliche Sohlen..." -

„Ja, leider." -

„Kälteempfindlich?" -

„Nicht so sehr, trockener Schnee und Eis machen mir nicht viel aus. Muss eigenartig aussehen, Spuren nackter Füße im Schnee zu finden." -

„Ein weiteres Zeichen... hätte ich Eure Wandlung nicht selber erlebt, das wäre ein Hinweis..." -

„Wie, wer barfuß geht ist ein Drache?" -

„Nicht unbedingt, nein. Aber diese Neigung bei jeder noch so unmöglichen Gelegenheit barfuß zu laufen obwohl es oft sogar unangenehm ist, deutet darauf hin. Nur ein Indiz und nicht immer richtig." -

„Aha..." -

Es geht nur langsam bergab, das Gefälle ist gering hier, nach einem Kilometer sind wir kaum 50 Meter tiefer. Um einen Busch herum stehen wir plötzlich auf einem kleinen Parkplatz mitten im Wald. - Die Zivilisation ist wirklich nicht weit entfernt...

Auf dem Parkplatz steht ein dunkelgrüner Geländewagen, Ford, groß und amerikanisch, keine kleine Euroversion. Noch ehe ich irgendwie reagieren kann, wird schon die Fahrertür aufgerissen und ein junger Mann springt geradezu heraus. Blond, schlank, offensichtlich sportlich. Auch er trägt so eine Forstkleidung, nur ohne den Regenmantel.

Mit schnellen Schritten kommt er zu uns. Dabei betrachtet er mich die ganze Zeit sehr genau.

„Da bist Du ja endlich, Josef. Ich wollte schon hochkommen, auch wenn ich keine Bedrohung spüren konnte. - Ist er das?"

Er betrachtet mich mit leicht schräggelegtem Kopf und scheint zu schnuppern...

„Natürlich, Ihr seid es. Verzeiht einem Jugendlichen seine Unhöflichkeit, Herr." -

Noch so einer... - Obwohl, etwas ist anders an ihm. Nur was...

Mein Begleiter nickt.

„Ja Michael. Er ist es. Er war bereits wieder Mensch, offenbar schon einige Zeit. Aber seine Erinnerung fehlt noch vollständig." -

„Hat er sich bereits bewusst gewandelt?" -

„Nein. Nach einem so langem Ersterwachen halte ich es nicht für sinnvoll. Wir sollten ihm Zeit lassen. Zudem zweifelt er noch." -

Der junge, Michael, wendet sich wieder mir zu.

„Trrãh, tza Kyrrah kúrr. Tza tzurr rrakk Térráh."

Er verneigt sich leicht.

Ich nicke kurz.

„Tza Kyrrah ákk. - Daánh, Kyrrah ák Michael?" -

Er grinst,

„Nán, Trráh. Nán. Kyrrah Drrékh, Michael Schzeéh." -

„Rreéh... i Michael kyn szo kyrrahn."

Er überlegt kurz und grinst dann.

„Áah... rreéh. Kyn... Engel...- áah é szo. - Verzeiht Herr, als Mensch finde ich die Sprache sehr anstrengend. Aber Ihr sprecht ausgezeichnet." -

„Äh... ja... - Sprache...?" -

Wieso Sprache und anstrengend...? Hat er... - verdammt ja, er hat wirklich eine fremde und mir doch merkwürdig vertraute Sprache gesprochen - und ich habe ihm genauso geantwortet. Ich habe ihn wirklich verstanden, zuerst hat er mich - wie schon gewohnt - mit Herr angesprochen, mir seinen Namen - Kyrrah, das bedeutet Feuerklinge - genannt und mich in dieser Welt begrüßt. -

Ich habe ihn dann mit Namen angesprochen und gedankt, und ihn anschließend gefragt, ob er nun Kyrrah oder Michael heißt, natürlich mit der üblichen Entschuldigung vorher. -

Er antwortete mit 'Beides Herr' und erklärte dass Kyrrah der Name des Drachenmenschen ist, Michael des Menschen. -

So wurde es mir klar und ich erwähnte, dass der Engel Michael ja auch eine Feuerklinge trägt. Über den Begriff Kyn, der ein höheres, auch göttliches Wesen bedeutet, musste er im Zusammenhang mit Michael ein wenig nachdenken, bis er meinen Gedanken verstand und mir auch bestätigte, dass der Erzengel so ein Schwert hat. -

Was ist hier eigentlich los? Was ist das für eine Sprache und noch wichtiger: woher kenne ich sie?

Michael grinst, als er meine angedeutete Frage beantwortet:

„Nun, Ihr seid wie ich ein Drachenmensch, ein Drrékh. Die Sprache ist in uns verankert, in unseren Genen, unserer Seele..." -

„Ah... so..." -

Michael blickt meinen Begleiter - Josef - an. Der schüttelt den Kopf worauf Michael mit den Schultern zuckt.

„Verzeiht Herr, aber der Mentor ist dagegen, dass ich mich Euch jetzt schon zeige. Sicher hat er Recht damit." -

„Können Sie mir erklären, was das mit den Drachen oder Drachenmenschen bedeuten soll? Und wie ich hierher gekommen bin?"

Er blickt mich lächelnd an.

„Mit Euren eigenen Schwingen, Herr. - Aber mir steht diese hohe Anrede nicht zu Herr. Ich bin nur ein unbedeutender Jüngling. Ihr bereits voll geschlechtsreif, auch als Drache. Zudem ein Edler, wie uns angedeutet wurde." -

Was soll das alles jetzt wieder bedeuten?

„Michael!" - ein scharfer Ton von Josef.

Aber Michael sieht ihn nur gelassen an.

„Überlasse mir, was ich ihm sage, alter Freund. Du bildest mich aus, ja. Aber ich habe für ihn besondere Anweisungen von den Weisen bekommen." -

Oh... das klang befehlsgewohnt und etwas scharf im Ton. Josef blickt jetzt deutlich unsicher auf seinen jungen Begleiter.

„Ich verstehe... Verzeih Kyrrah, ich wollte Dich nicht anzweifeln." -

Aha, trotz des Altersunterschiedes und der Tatsache, dass Josef ihn ausbildet, scheint Kyrrah - Michael der Höherstehende von beiden zu sein. Er sieht mich wieder an.

„Verzeiht meinen kleinen Streit mit meinem alten Freund, Herr. Aber er ist nur ein normaler Mensch und mir damit von Natur aus untergeordnet. Es ist manchmal schwer, das zu vergessen. Aber im Grunde verstehen wir uns sehr gut. - Ich verzichte sonst immer darauf, daß er meinen Vorrang so anerkennt." -

„Und ich?" -

„Mir wurde gesagt, wir alle haben Euch die volle Achtung zu gewähren. Ihr seit ein Herr, ein Edler." -

„Was bedeutet das?" -

„Verzeiht Herr. Ich würde es Euch gerne sagen, aber ich weiß es nicht. Nur sehr sehr selten wird ein Drrékh noch vor seinem Erwachen als Edler erkannt. Nur die Drrá'Kin, die geschlüpften Drachen, haben wenige Edle, die als solche bereits schlüpfen. Der Rat der Weisen gewährt darüber hinaus manchmal diesen Rang, auch Drrékh." -

Genug davon, ich kann es nicht mehr hören...

„Wollen wir nicht aufbrechen. Du hast doch vorhin noch so gedrängelt, Josef - das war doch Dein Name?" -

Josef wirbelt förmlich zu mir herum.

„Ja, ja Herr. Das ist mein Name. Ja, ich hatte gedrängt, hauptsächlich wegen meinem jungen Herrn hier."

Michael legt ihm eine Hand auf den Arm.

„Josef, verzeih mir das bitte. Ich wollte Deinen Gehorsam gar nicht einfordern, das war ein wenig übertrieben, ich weiß." -

Josef nickt.

„Hättest Du mir gesagt, dass Du weitere Informationen der Weisen hast..." -

„Ich sollte Dir nichts vorher davon sagen." -

„Ich bin ja nur ein Mensch... ich verstehe." -

Michael legt ihm jetzt beide Hände auf die Schultern.

„Verzeih. Ich weiß, wie herablassend das immer klingt, aber..." er zuckt mit den Schultern. -

„Danke. Los jetzt, ins Auto, ehe Du Dir auch noch kalte Füße holst..." -

Ich schaue auf die Füße von Michael - er steht wie ich barfuß da...

Er sieht meinen Blick und schaut auch auf unsere nackten Füße.

„Ja, ich auch. Seit Ihr schon im Winter bei Schnee...?" -

„Natürlich. Kalt aber faszinierend." -

Er grinst.

„Stimmt. Josef will es nicht glauben, das eiskalte Füße sich so wunderbar anfühlen können." -

Der schüttelt sich und geht auf das Auto zu. Ich grinse, wie Michael auch.

„Entschuldigen Sie, Michael, oder Herr Kyrrah...?"

Er schüttelt heftig den Kopf.

„Herr, bitte bleibt beim Du. Es steht mir nicht zu - und wenn die Weisen das zu hören bekommen, dass ich mir Euch gegenüber diese höhere Stellung angemaßt habe... Herr, ich würde gerne noch ein wenig auf dieser interessanten Welt weilen dürfen..." -

„Moment... weil ich Dich gegen Deinen Willen mit 'Sie' anspreche, wird das den Weisen zugetragen?" er nickt. „- Ich vermute dass diese Weisen so eine Art Herrscher sind..." -

„Ja und nein... man hört auf sie, die Weisen haben die letzte Entscheidung." -

„Gut... - wenn also die Weisen das zu wissen bekommen, dann würden sie Dich bestrafen?" wieder nicken. „... das klang so nach... töten...?"

Er schüttelt heftig den Kopf.

„Nein, bei der Kraft, nein... - man würde mich nur als ungeeignet ansehen und ich würde nie mehr in diese Welt zurückkehren dürfen - zumindest sehr lange nicht mehr." -

„Diese Welt? Gibt es noch eine andere?" -

„Herr, verzeiht... Ihr werdet sehr bald alles wissen und selber sehen." -

„Na gut. Zurück zum Thema... Du hast gesagt, er wäre dagegen, dass Du Dich mir zeigst... Du stehst doch vor mir, was soll das also bedeuten?" -

„Ich wollte mich Euch in meiner anderen Gestalt zeigen, mich Euch als Drrékh zeigen. Mein Gedanke dabei ist, dass Ihr Euch dann vielleicht erinnert. Aber Josef ist sich sicher, dass Ihr nach dem sehr langen Ersterwachen noch nicht dazu bereit seit. Und er hat in diesen Dingen die größere Erfahrung, auch wenn wir nur wenige sind." -

Er ist offensichtlich auch davon überzeugt, dass es Drachen gibt, er glaubt offensichtlich sogar, selber einer zu sein. Ich entschließe mich, das auch zu übersehen - egal was das für eine Masche ist. Ich will in dieses Auto und nach Hause! Und ich werde jetzt hundemüde...

„Ah, ja. Entschuldige bitte, aber ich mag da immer noch nicht dran glauben... Drachen... die müssten dann doch bekannt sein?" -

Michael grinst.

„Ihr müsst Euch nicht entschuldigen Herr. Ich selber habe ja auch nicht daran geglaubt, bis ich mich im Spiegel gesehen habe. Das war damals auch erst nach drei Wochen, bis ich es zum ersten Mal bewusst geschafft habe, mich zu wandeln. Bis dahin habe ich auch immer gedacht, dass der Alte etliche Schrauben locker haben muss, so wie er mich mit Informationen über Drachen eindeckte. - Darum ja mein Gedanke, es Euch schon jetzt zu zeigen. - Aber jetzt lasst uns erst einmal nach Hause fahren, da schlaft Ihr Euch aus und dann esst Ihr etwas. Danach sehen wir weiter." -

„Und diese ewige Entschuldigen und die Unterwürfigkeit mir gegenüber?"

Wir stehen endlich auch vor dem Wagen und Josef macht von innen die Hintertür auf, auch er sitzt auf den Rücksitzen.

Michael hält mich sanft zurück, er will das wohl noch hier draußen erklären.

„Nun Herr. Ihr müsst wissen, dass Neue oft sehr emotional reagieren. Insbesondere mit Zorn. Und dass führt leicht zu einer unkontrollierten Wandlung - und die leicht zu einem Kampf oder schlimmeres." -

„Achso... Ihr wollt mich einfach nur milde stimmen. Aber muss das unbedingt so unterwürfig geschehen?" -

„Vielleicht nicht, Herr. Aber wir hatten bisher gute Erfahrungen damit. Ich verspreche Euch, es wird weniger werden, wenn Ihr erst einmal Euch selber kennen gelernt habt." -

„Gut, das kann ich verstehen. Und akzeptieren. Nur dieses... Ihr..." -

„Herr..."

Michael verzieht das Gesicht, dann fällt ihm etwas ein. Er wirft einen schnellen Blick ins Auto zu Josef und richtet sich dann wieder auf.

„Herr. Ihr habt ein Unbehagen bei der uns befohlenen Form der Anrede..." -

Er betont das mit dem befohlen deutlich. Ein Wink mit dem Doppel-T Träger... Er sagte ja, ich bin der Herr und ein Edler, der wohl auch Anspruch auf Gehorsam hat...

„Richtig. Und daher befehle ich euch beiden, mich als Freund zu behandeln und mich auch so anzusprechen." -

Michael grinst.

„Wie Du befiehlst Herr. Darf ich Dich bitten, das Auto zu besteigen, wir haben noch ein wenig Fahrzeit vor uns." -

„Natürlich, gerne. Ich habe das Gefühl, als ob ich seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen habe..." -

„Was der Wahrheit entspricht." -

Ich ziehe das Regencape aus und steige in den Wagen. Kaum sitze ich im Ledersitz, macht er die Tür zu und ist schnell auf dem Fahrersitz. Der Wagen springt an und wir fahren vom Parkplatz auf eine schmale, aber gut ausgebaute Straße.

Josef, der ebenfalls ohne die Regenjacke neben mir sitzt, sieht mich neugierig an.

„Nun Herr, Ihr... verzeih, Du willst sicher sehr viel wissen. Möchtest Du fragen oder sollen wir zuerst nur erklären?" -

„Vielleicht zuerst ein wenig über euch selber. Ich habe das Gefühlt, ihr wisst so gut wie alles über mich... - aber ich tappe im Dunkeln." -

„Eine Redewendung, die auf Dich nicht mehr zutreffend ist... - Richtig, es gehört zu unserer Tätigkeit, möglichst alles über den zu erweckenden zu wissen. Nur Deinen Namen wissen wir noch nicht." -

„Wieso, steht doch am Briefkasten..." -

Josef schaut etwas fragend, aber Michael kommt schnell zur Hilfe.

„Deinen Drrékh-Namen. Den kennst jetzt nur Du selber." -

Scheiße, böse Falle. Woher soll ich einen Drachennamen haben, wenn ich doch keiner bin.

„Und woher...? Ich meine, da ist nichts, ich komme nur auf Ralf, aber sonst..." -

Michael nickt, achtet aber weiter auf die Straße.

„Ja, so war es bei mir auch. Josef sagt, es kommt mit der Zeit. Ich würde sagen: horche in Dich, höre auf Deine Seele, sie wird es Dir offenbaren." -

Josef nickt.

„Ja, erst jetzt, am Ende meines Lebens, lerne ich so viel über euch... Erst Kyrrah vermittelt mir Wissen, dass ich früher schon hätte brauchen können. Ich war leider kein guter Mentor..." -

Michael grunzt.

„Quatsch. Du bist der beste Mentor, der ein Mensch sein kann. Du kannst alles nur von außen sehen, aber dennoch verstehst Du sehr viel von uns. Auch wenn es Dir gerade anders erscheint - die Weisen haben eine hohe Meinung über Dich." -

„Du musst mich nicht trösten..." -

„Ich weiß. Und ich mache auch keine Scherze über die Weisen." -

„Verzeih. Sie kennen mich wirklich? Ich hatte immer nur über Mittler Kontakt." -

„Ja, diesen Eindruck erwecken sie gerne..." -

Ich fange an, wegzuschwimmen, die Müdigkeit...

Weit weg höre ich wieder Josef.

„Du meinst... - Verzeih, was sagtest Du, Herr? Tan'Náh?" -

Seine direkte Ansprache an mich weckt mich wieder, er sieht mich aufmerksam an.

Aber Michael schüttelt den Kopf.

„Verzeih, alter Freund, aber seine Betonung war anders. - Obwohl der Name zu seinen Augen gut passen würde, wie altes reines Gletschereis..." -

So ein Quatsch... ich habe braune Augen, altes, luftfreies, arktisches Gletschereis ist blau bis dunkelblau.

Ich versuche mich zu erinnern, was mir gerade beim Einschlafen durch den Sinn geschossen war und was ich offenbar laut ausgesprochen hatte.

„T'Ánh'Áah...".

Ein klein wenig schlingert der Wagen, als Michael mich im Spiegel anstarrt. Er hält in einer Waldeinfahrt an und dreht sich zu mir um.

„Ist das wirklich Dein Name...? - Ja... Du bist überzeugt davon, ich spüre es. Das ist der Name, der in Deiner Seele stand, seit Du geboren wurdest. - Kennst Du die Bedeutung?" -

„Hmm, ... Himmel der glüht... nein - Gluthimmel." -

„Richtig. Das ist die Übersetzung. Aber T'Ánh'Áah ist eine Sagengestalt der Drrá'Kin. Ich bin mir nicht sicher, ob sie diesen Namen akzeptieren werden, oder es als Anmaßung empfinden. Aber ich habe da eine Idee. Die Drrá'Kin haben oft zwei Namen, einen Rufnamen, der allgemein verwendet wird und einen Seelennamen, der bekannt ist, aber nur von Vertrauten benutzt wird - oder schwer auszusprechen ist, selbst für die Drachen. Da passt es gut, dass Josef Tan'Náh verstanden hat. Eisauge passt gut zu Dir, denn die Namen haben oft einen beschreibenden Inhalt. Und anders, richtig betont wird dann Gluthimmel daraus, Dein Seelenname." -

Ich nicke verwirrt.

„Wenn Du meinst, dass es so richtig ist... Ich will mir keinesfalls etwas herausnehmen." -

Es ist warm hier drin, angenehm wohlig warm, ich kämpfe gegen den Schlaf - und in dieser Verfassung bin ich sogar bereit zu akzeptieren, dass ich so ein Drachenmensch bin...

„Ja, ich bin mir sicher. Woher solltest Du etwas über die Sagenwelt der Drrá'Kin wissen - das ist nicht in uns verankert, auch ich musste es erst lernen." -

Josef schüttelt den Kopf.

„Ich wusste es auch nicht. Aber ich finde Deine Idee gut." -

Michael grinst.

„Viele wissen nichts darüber, Josef. Auch wir Drrékh nicht - nur ich habe einen Überblick bekommen, weil ich als zukünftiger Mentor mehr wissen soll. Das richtet sich nicht gegen Dich, alter Freund. Das ist erst jetzt so beschlossen worden. - Wer weiß, vielleicht sogar wegen unserem neuen Freund hier..." -

Der Herzrhythmus von Josef gefällt mir überhaupt nicht...

„Josef, nimmst Du Medikamente?" -

„Ja. Mein Herz ist nicht mehr das beste, Herr." -

„Wann zuletzt?" -

„Heute morg... Oh, nein... Auf der Jagd hinter Dir her habe ich das völlig vergessen... Das war schon Freitag morgen..." -

„Du hast die Medikamente dabei? - Gut, dann nimm jetzt eine normale Tagesdosis. Dein Herzrhythmus ist nämlich nicht gerade der beste im Moment... - aber ein wenig Ruhe und die Medikamente werden es sicher wieder richten..."

ich sehe Michael an.

„... allerdings... Kyrrah, wenn ich ein Drache bin - und Du auch... dann hättest Du es doch auch schon längst hören müssen. Ich habe nach seinen Schritten dort in der Höhle gleich sein stotterndes Herz gehört..." -

Michael blickt mich betroffen an, dann Josef, dann wieder mich. Schließlich neigt er seinen Kopf tief.

„Ihr habt Recht Herr. Verzeiht einem unerfahrenen Jungdrachen seine unverzeihlichen Fehler und seine Ignoranz. Josef... bitte verzeih mir meine Unaufmerksamkeit. Ich hätte es wirklich hören müssen, ich höre es jetzt ja auch deutlich... Mir ist kurz aufgefallen, dass Du gestern Morgen keine Medikamente genommen hast, habe aber nicht darüber nachgedacht - mir war auch nicht bewusst, dass die so wichtig für Dich sind. Bitte verzeih mir." -

Josef winkt ab.

„Es ist mein Fehler. Ich hätte Dir sagen müssen, dass ich regelmäßig Medikamente einnehmen muss - aber der Stolz eines alten Mannes... - Du musst Dich nicht bei mir entschuldigen. Ich kann Dich allerdings nicht von den Vorwürfen unseres Herrn freisprechen, denn sie sind leider begründet." -

Michael blickt mich kurz an, senkt dann aber schnell wieder seinen Kopf.

„Herr. Ich verstehe meine Fehler. Bitte entscheidet über meine Strafe, ich werde diese gerne akzeptieren." -

Nun wird's schwierig... ich kann doch nicht über eine Strafe entscheiden, sowas steht mir einfach nicht zu, da mögen sie über Herr und Edler reden soviel sie wollen. Zum Glück kommt mir eine Idee...

„Da es mich nicht betrifft und Josef Dir bereits verziehen hat, habe ich keinen Grund, eine Strafe zu verhängen, nebenbei fühle ich mich auch nicht dazu berufen. Du hast begriffen, welchen Fehler Du gemacht hast und das Wissen, dass Du möglicherweise am unnötig frühen Tod Deines Freundes hättest Schuld sein können, ist sicher genug Strafe." -

Michael atmet tief durch - oder auf, behält aber seine unterwürfige Position bei.

„Herr, ich danke Euch für Eure Belehrung. Ihr habt mir gezeigt, dass wir nie scheinbar nebensächliches außer Acht lassen dürfen. Wenn wir diese Welt führen wollen, müssen wir stets alles im Auge behalten. Danke Herr. Auch für Eure Gnade mir diese milde Strafe aufzuerlegen. Ihr habt Recht, ich hätte es mir nie verziehen, darauf nicht geachtet zu haben. Mir ist klar, dass meinem Freund nur noch einige Jahre bleiben, doch möge die Lebenskraft ihm noch viele davon gewähren, damit er dem Rat noch lange zur Seite stehen kann."

Er hebt den Kopf und sieht Josef an.

„Eigentlich sollte ich es Dir jetzt noch nicht sagen, aber wenn der Herr Deine Hilfe nicht mehr benötigt, wirst Du einen Platz im Rat der Weisen bekommen. Deinen Platz hier werde ich dann einnehmen." -

Josef schüttelt den Kopf.

„Noch nie wurde ein Mensch in den Rat der Weisen berufen..." -

„Doch, es ist schon geschehen, aber es ist lange her. Und ich weiß nicht, welche Position Dir gewährt wird. Doch schon einem Berater der Weisen habe ich dann zu gehorchen. Du siehst, unser Verhältnis wird sich bald schon wandeln, alter Freund." -

Ich blicke beide an, besonders Michael und mir kommt da so ein Gedanke... War es Absicht, dass er nicht reagiert hat?

Er blickt mich an und scheint zu begreifen, woran ich gerade denke, mein Blick ist wohl sehr scharf... - Er hebt die Hände und schüttelt den Kopf.

„Nein Herr. Nein, das würde ich nie machen. Wenn Ihr so über mich denkt, dann tötet mich lieber. Mit so einem Zweifel will ich nicht weiter leben..." -

Das kommt so überzeugend, dass ich seine Ehrlichkeit fast zu riechen glaube.

„Nein, entschuldige. Ein Gedankenspiel, nichts weiter. Ich spüre Deine Ehrlichkeit." -

Er atmet sichtlich auf. Josef blickt uns fragend an, er war wohl in Gedanken anderweitig beschäftigt. Aber Michael winkt beruhigend ab.

„Nichts besonderes, ein kurzes Gedankenspiel zwischen uns." -

Er nimmt meine Entschuldigung damit auf. Josef nickt.

„Ach so. Lass uns weiterfahren, der Herr ist wirklich müde. - Herr, bitte ruht - quält Euch nicht länger. Wir können auch später weitersprechen, das läuft uns nicht weg." -

Der Wagen fährt wieder an und noch ehe ich dazu komme, eine Antwort zu geben, bin ich schon eingeschlafen.

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