Wolf's Journey - Kapitel 11: Auf der Klassenfahrt
#11 of Wolf's Journey
Auf der Klassenfahrt
Ryo beobachtete Yuchi, Maki, Yoko und Rakshasa, die mit hektischem Winken beschäftigt waren. Er zwang sich zu einem Lächeln und winkte ebenfalls, während der Bus zu rollen begann. Er packte seine Kopfhörer aus, setzte sie sich auf die Ohren und hörte Musik. Leicht wippte er mit dem Fuß zum Rhythmus, schloss die Augen und ließ die Zeit verstreichen.
Nach einer halben Stunde stiegen sie aus und begaben sich in den Zug, der sie zu ihrem Ziel führen sollte. Ryo setzte sich in ein leeres Abteil und hörte wieder Musik. Es war eine lange Zugfahrt und die Stunden zogen sich nur sehr langsam dahin.
Nach einer Weile bekam er Kopfschmerzen von der lauten Musik und schaltete das kleine Gerät ab. Er kramte in seiner Tasche und biss in einen Apfel. Ein Hamburger wäre ihm lieber gewesen.
Ryo fragte sich, wie die Klassenfahrt ablaufen würde. Als sie darüber in der Schule sprachen, hatte er nicht aufgepasst. Außerdem fragte er sich, ob er wohl alleine in einem Zimmer schlafen würde. Das wäre ihm zwar am liebsten, doch das war unwahrscheinlich. Er kannte niemanden aus der Klasse, der sich freiwillig mit ihm ein Zimmer teilen würde und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Da die Klasse die Schüler sowieso in einer ungeraden Anzahl hielt, gab es die Möglichkeit, allein bleiben zu können. Oder er würde sich zu dritt mit jemandem ein Zimmer teilen müssen, was noch schrecklicher wäre. Zwei gegen einen war unfair.
Seufzend lehnte er sich zurück und warf einen Blick aus dem Fenster. Verschwommen nahm er wahr, wie die Landschaft an ihm vorbeiraste. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon unterwegs waren, doch er wusste, dass er weit von Zuhause entfernt war. Das Zuhause, das er nun so lieb gewonnen hatte. Mit einer Familie, die ihm ans Herz gewachsen war und von der er sich nicht gerne trennen wollte. Nichtmal für ein paar Tage. Zuhause fühlte er sich sicher und brauchte sich keine Sorgen darüber zu machen, ob nicht gleich jemand um die Ecke kam und ihn verprügelte, wie es in dem Heim der Fall war. Die Betreuer kümmerten sich nicht darum, was ihm oder anderen angetan wurde. Die Situation war schrecklich und Ryo überlegte sich, ob auch andere Heime und Waisenhäuser so waren oder ob dies nur ein Extremfall war.
Ryo verdrängte die Gedanken an die Vergangenheit und sah sich um. Niemand aus der Klasse saß vor oder hinter ihm. Der Panther nahm seine Kappe ab und schüttelte den Kopf, sodass die langen Haare wieder über seine Schultern fielen. Er nutzte das Fenster als Spiegel und band sich das lange Haar über dem Kopf wieder zusammen. Nachdem er sich wieder die Kappe aufgesetzt und zurecht gedreht hatte, sah es aus, als hätte der Panther kurze Haare, da ihm nur die kürzeren Haare des Ponys ins Gesicht fielen.
Wieder lehnte er sich zurück und überlegte, was er tun könnte, um die Zeit besser zu überbrücken. Zugfahrten konnten extrem langwierig sein, fand er, obwohl es das erste Mal war, dass er in einem Zug saß. Lediglich im Bus fuhr er ab und an, selten war die Fahrt im Auto. Yoko und Rakshasa besaßen kein Auto, vermutlich nicht mal einen Führerschein, dafür hatten sie Fahrräder. Die Stadt lag sehr nahe an ihrem Haus und die Stadt war durchgehend eine Fußgängerzone, sodass ein Auto unnütz wäre. Um weiter weg zu kommen, gab es am Stadtrand eine Bushaltestelle mit einem Bus, der stündlich fuhr. Um zum Bahnhof zu kommen, musste man zuerst mit dem Bus hinfahren, doch dieser lag zum Glück nur eine Viertelstunde von ihrem Haus entfernt.
Ryo kramte erneut in seiner Tasche und schaute, was er alles für die Fahrt dabei hatte. Hunger hatte er keinen mehr, also schob er das Lunchpaket tiefer in die Tasche. Eine Packung Bleistifte verschiedener Härtegrade und ein Zeichenblock kamen zum Vorschein. Ryo hatte bereits in sehr jungen Jahren im Heim angefangen zu zeichnen, um sich abzulenken. Doch er hatte noch Kopfschmerzen, die die Konzentration beim Zeichnen nur verschlimmern würden, abgesehen davon gab es kein gutes Motiv in dem langweiligem Zug und aus dem Kopf heraus konnte er nicht gut zeichnen.
Er kramte weiter und fand ein Comicheft. Nachdem er es aus der Tasche gezogen hatte, schlug er das Heft auf und vertiefte sich in den kleinen Bildchen mit den großen Sprechblasen.
Nach etwa einer Stunde steckte er das Heft zurück in die Tasche und bemerkte, dass seine Lehrerin durch den Gang lief. Sie war ein noch recht junges Eichhörnchen, in die sich vermutlich viele Jungs in der Klasse verliebt hatten. Ryo verliebte sich nicht, doch er fand die Lehrerin das einzige an der Schule, das noch erträglich war. Mehr als nur erträglich. Sie war sehr nett zu ihm, obwohl Ryo vermutlich ein schwieriger Schüler war, da er nicht oder nur selten redete, wenn man ihn ansprach.
,,An der nächsten Station steigen wir aus!", rief die Lehrerin zu ihren Schülern.
Ryo schloss den Reißverschluss seiner Tasche und schnallte sie sich auf den Rücken. Der Zug wurde langsamer und quietschte in einem ohrenbetäubendem Ton. Erschrocken hielt sich Ryo die Ohren zu. Das Geräusch kam unerwartet. Mit einem Fiepen in den Ohren taumelte er auf den Gang und folgte seinen Mitschülern aus dem Zug, wo sie sich sammelten und den anderen Leuten den Weg versperrten.
Die Lehrerin drängte sie zum Weitergehen und versuchte mit ihrer Stimme gegen das laute Geplapper und den Zuglärm anzukämpfen, doch sie hatte keine Chance.
Der Zug rollte davon und es wurde stiller. Mit heiserer Stimme klärte die Lehrerin die Schüler auf, wo sie nun hingehen sollten. Sie führte die Gruppe aus dem Bahnhof und die Straße entlang durch die große Stadt.
Ryo staunte. Die Stadt war um einiges größer als seine Heimatstadt und auch größer als die Stadt, in der sich sein ehemaliges Heim befand.
Sie traten in die Herberge, wo Ryo die Lehrerin beobachtete, die sich durch die Rezeption kämpfte. Der Panther lehnte gegen die Wand und ließ seinen Blick über die anderen vierundzwanzig Schüler schweifen. Er kannte keinen von ihnen wirklich gut. Nichtmal die Namen konnte er sich bisher von allen merken. Es gab verschiedene Rassen. Viele Hunde- und Katzenartigen, eine Handvoll Nagetiere und vereinzelt andere Tiere wie einen Skunk, eine Fledermaus, einen Waschbär und einen Falken. Kein einziger anderer Albino, oder doch? Es gab einen Hasen mit weißem Fell, doch Ryo war sich nicht sicher, ob er ein Albino war. Sonst gab es niemandem mit weißem Fell, es gab lediglich zwei mit silbernem Fell. In der Schule hatte Ryo auch keinen zweiten Albino gesehen. Einen Gleichgesinnten zu finden würde ihm die Sorgen nehmen, allerdings hatte er nie jemanden gefunden, der wie er war.
Während er nachdachte, drängten sich die Schüler an die Lehrerin, die nun die Zimmerschlüssel verteilen wollte. Die Grüppchen wurden gebildet und bekamen je einen Schlüssel, als sie diesen erhielten, rannten sie ausgelassen weiter und malträtierten den Knopf, der den Aufzug rief.
Ryo rollte mit den Augen und fragte sich, warum sie es so eilig hatten, in die vermutlich viel zu kleinen Zimmer zu kommen.
Plötzlich beschlich Ryo ein beklemmendes Gefühl, als er spürte, dass ihn jemand aus der Gruppe, die noch auf die Schlüssel wartete, anstarrte. Er sah weg, doch der Junge ging auf ihn zu und wedelte mit einem Schlüssel.
,,Ich bin mit dir in einem Zimmer."
,,Verdammt!", fluchte Ryo innerlich, ohne dem Jungen eines Blickes zu würdigen. Aus war der Traum vom Einzelzimmer!
Nun würde er nicht einmal nachts Privatsphäre bekommen. Der ganze Ausflug würde ein schreckliches Erlebnis werden, nach dessen Ende er sich jetzt schon sehnte.
,,Hey. Hallo? Jemand anwesend?"
Nun sah der Panther doch auf und verlor sich in den violetten Augen des Hundes. Unfähig etwas zu sagen, sah er in den Farbverlauf der Augen, in denen sich das Licht spiegelte. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so schöne und farbintensive Augen gesehen zu haben.
Als der Hund blinzelte, fing sich Ryo wieder und fragte leise: „Wir sind in einem Zimmer?"
Erst jetzt sah er den Hund genauer an und ihm fiel auf, dass er trotz der weichen Stimme und den schönen Augen männlich war. Sein Gesicht war von einigen Piercings geziert. Er war mindestens einen Kopf größer als Ryo und machte einen sportlichen Eindruck. Vermutlich einer dieser Typen, die sich ewig im Spiegel ansahen und sich übermäßig geil fanden, dachte sich Ryo.
,,Ja. Wir sind im Zimmer zweiunddreißig, lass uns hochgehen."
Schulterzuckend stapfte Ryo dem Rüden hinterher. Er war einer der Kandidaten mit silberweißem Fell, allerdings fiel dem Panther auf, dass sich ein hellgelber Streifen auf dem langen Schweif befand.
,,Vermutlich gefärbt", dachte er sich und hievte seine Tasche die Treppe hinauf. Ryo und vermutlich auch der Hund, an dessen Namen sich der Panther nicht mehr erinnern konnte, hatten wenig Lust, sich mit der anderen Hälfte der Klasse in den Fahrstuhl zu quetschen, der aufgrund der Überlastung möglicherweise auch noch stecken bleiben würde.
,,Achtundzwanzig, Neunundzwanzig, Zehnund... Dreißig, Einunddreißig, Zweiunddreißig, hier ist unser Zimmer", bemerkte der silberne Hund, nachdem er die Zimmer genau abgezählt hatte.
,,Die sind sogar beschriftet", sagte Ryo und deutete auf die Zahlen neben den Türen, doch der Rüde achtete nicht darauf und steckte den Schlüssel ins Schloss.
Ryo warf einen neugierigen Blick in den Raum. Zwei Betten mit einem Nachttischschränkchen. Das grelle Bild an der Wand wollte nicht so recht in das altertümliche Zimmer passen. Einzig die Aussicht war zufriedenstellend. Das Zentrum der Stadt erstreckte sich weit vor dem Fenster über den Betten.
Der Rüde warf seine Tasche in die Ecke und sich selbst auf eines der Betten.
,,Die verdammte Zugfahrt hat viel zu lange gedauert", stöhnte er.
Ryo ließ sich auf dem anderem Bett nieder. Ordentlich räumte er seine Tasche aus und verstaute die Sachen in dem Schrank, anschließend ging er zur Tür, doch der Hund fragte: ,,Wo willst du hin?"
,,Wir sollen doch zum Abendessen in die Halle gehen."
Ryo beobachtete den Jungen, der in seiner Tasche kramte und dem Panther einen Donut zuwarf. ,,Lass uns hier bleiben. Kein Bock auf Gruppenessen. Vor allem nicht mit Mario, der schmatzt wie ein Ungeheuer."
Ryo fing das süße Gebäck und sagte: ,,Danke ... ähh...?"
,,Revan Blider, fünfzehn Jahre alt, reinrassiger silberweißer Schäferhund, sitzt in der Schule zwei Plätze neben dir."
Verlegen senkte Ryo den Kopf und biss in den Donut. Er schmeckte gut, nie zuvor hatte er dieses Gebäck probiert.
Unruhig zuckte er mit den Ohren, da die Frage in ihm brannte, warum dieser Revan sich mit ihm ein Zimmer teilen wollte. Soweit Ryo wusste, war Revan bei den anderen, besonders bei den Mädchen, nicht unbeliebt. Der sportliche Körper, die freundliche Art, das gute Aussehen, das alles musste ihn ja zu einem Typen machen, um den sich viele Mädchen rissen und vielleicht auch einige Jungs neidisch machen. Warum also sollte ausgerechnet Ryo mit dem Schäferhund in ein Zimmer kommen? Der Gedanke, dass Revan nur freundlich zu ihm sein wollte, verwarf er schnell wieder, da er schon eine Vermutung hatte, was dahinter steckte.
,,Hat dich Frau Vala-Kurzdorf zu mir eingeteilt?", fragte Ryo leise.
Revan streckte sich stöhnend, sodass die müden Gelenke knacksten.
Aufmerksam beobachtete der Panther den Hund und wartete geduldig auf die Antwort.
,,Seh ich so aus, als würde ich mich dazu zwingen lassen, mit irgendwem ein Zimmer zu teilen?"
Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang er sich aus dem Bett und ging eines bedächtigen Schrittes auf den Panther zu, dessen Herzschlag sich langsam aber stetig intensivierte.
Um sich Halt zu verschaffen, stützte sich Ryo mit den Händen auf dem Bett ab und hielt dem Blick des Rüden stand. Für einen Moment hatte er Angst, der Schäferhund könne in seine wahren Augen sehen, doch er war sich sicher, dass die Kontaktlinsen das Rot gut abdeckten.
Als Revan das Bett erreichte, blieb er stehen und sah in Ryos Augen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen. Revan lehnte sich vor und sagte: ,,Ich bin freiwillig mit dir in ein Zimmer gegangen."
Ryos Tasche rutschte von seinem Schoß und der Inhalt fiel auf sein Bett. Nervös griff der Panther nach den Sachen, als Revan plötzlich nach einem schwarzen Block griff, der kurz davor war, vom Bettrand zu fallen.
Ryo schluckte. Das war sein Skizzenblock und bisher hatte er kaum jemanden seine Zeichnungen gezeigt. Er wollte nicht, das jemand sah, was er aufs Papier brachte, da er dies für seine private Sache hielt. Nie würde er auf die Idee kommen, eines seiner Bilder, egal welches, zu veröffentlichen.
,,Du bist ein Künstler? Das sieht echt gut aus."
Revan blätterte weiter, während Ryos Wangen zu Glühen begannen. Er wollte nach dem Block greifen, doch der Rüde ließ ihn sich nicht abnehmen. Nachdem er sich alles sorgfältig angesehen hatte, gab er dem Panther den Block zurück und fragte: ,,Zeichnest du das alles aus dem Kopf heraus oder nimmst du Vorlagen?"
,,Beides. Für Landschaftsbilder oder Stillleben stell ich mir ein Arrangement zusammen oder gehe nach draußen, um mir ein gutes Motiv zu suchen. Alles andere mache ich aus dem Kopf heraus." Er fragte sich, warum er dem Schäferhund alles so ausführlich erklärte.
,,Hast du schon mal versucht, andere Personen zu zeichnen?"
Ryo schüttelte den Kopf. Er würde nie von jemanden Verlangen für seine Anfängerbilder so lange in einer Position auszuharren, um anschließend enttäuscht zu werden, da sich Ryo sicher war, dass er es nicht schaffen würde, so detailgetreu zu zeichnen.
,,Willst du es mal versuchen? Ich biete mich dafür an."
Ryo zuckte mit den Schultern. Zwar wollte er es versuchen, doch er machte sich Sorgen darüber, ob er dies wirklich hinkriegen würde.
,,Tu es einfach. Ich zieh mir nur schnell was anderes an. Dieses Outfit ist unpassend."
Ohne auf eine Antwort zu warten verschwand der Hund mit seiner Tasche in dem Badezimmer. Ryo seufzte und nahm seinen Skizzenblock, den er eng an sich drückte. Er war nervös und sein Herz pochte noch immer kräftig. Viele Fragen brannten in seinem Kopf und er versuchte sie zu verdrängen, indem er in seiner Tasche nach den anderen Zeichenutensilien suchte. Er holte eine Auswahl an verschiedenen Stiften wie Bleistifte, Kreide, Kohle und Farbstifte heraus und fand auch schnell Radiergummi und Spitzer.
Als sich die Tür öffnete, kam ein Hund in einem violett-weißen Trikot und einer kurzen, weißen Hose zum Vorschein.
Ryo nahm an, dass sich Revan in einem Fußballteam befand, da er ihn auch in den Pausen beobachtet hatte, wie er mit anderen Klassenkameraden Ball spielte.
,,Wie soll ich mich hinstellen?", fragte er.
Ryo überlegte kurz, welche Position am einfachsten wäre, doch dann meinte er: ,,Wie du willst."
Der Rüde holte seinen Fußball aus der Tasche, legte ihn auf den Boden, stellte einen Fuß darauf und sah den Panther mit verschränkten Armen, wedelndem Schweif und einem Grinsen auf den Lefzen an.
Ryo ließ den Bleistift in einer geschmeidigen Bewegung über das reine Papier gleiten. Das Zittern der Hand drohte die geschwungene Linie zu brechen, doch der Panther gab sich alle Mühe, damit dies nicht geschah. Ein Strich folgte dem anderen und nach und nach nahmen die Striche Gestalt an. Ryo versuchte schnell und dennoch ordentlich zu arbeiten. Nachdem er den letzten Strich gezogen und das letzte Detail ausgearbeitet hatte, erlöste er Revan, indem er sagte, dass er fertig sei.
Der Rüde, der nun eine ganze Weile in einer Position verharrt war, atmete erleichtert aus und streckte sich. Neugierig sah er den Panther an, der sein Werk begutachtete.
,,Eigentlich kann ich es besser. Ich sollte mehr üben", sagte er leise.
Revan nahm ihm das Blatt aus den Pfoten.
,,Tut mir leid. Vermutlich lag es daran, dass ich noch nie jemanden..."
,,Hör auf zu labern. Das sieht geil aus", unterbrach er den Panther.
,,Geil?"
,,Das ist fantastisch. Wo hast du das gelernt?" Revan gab dem Panther die Zeichnung zurück und ließ sich auf sein Bett fallen.
,,Ich habe nirgends etwas gelernt."
,,Warst du nie auf einer Kunstschule oder etwas in der Art?", wollte der Schäferhund wissen.
,,Nein, dazu hatte ich nicht die Möglichkeit."
Revan zog sich das Shirt über den Kopf. Ein dünnes, weißes Achselshirt trug er unter dem Trikot.
Wie Ryo angenommen hatte, war Revan gut gebaut. Er erinnerte ihn an Maki, der einen ähnlichen Körperbau hatte.
,,Schade, dabei hast du ziemliches Potential."
Etwas an Revans Bauch stach Ryo ins Auge. Ein kleiner Knubbel zeichnete sich im Bereich des Bauchnabels ab. Ryo konnte durch den Stoff nicht erkennen, was es war.
Revan griff an das Achselshirt und zog es hoch.
,,Was hast du denn für Hobbys?", fragte Ryo und beobachtete den Schäferhund gespannt. ,,Ein Piercing? Ein Junge mit einem Bauchnabelpiercing?!", schoss es in seine Gedanken.
,,Fußball, Handball, Volleyball, Basketball", zählte Revan auf.
,,Du spielst wohl gern mit Bällen", flüsterte Ryo abwesend. Er biss sich auf die Zunge, da er bemerkte, dass er etwas unpassendes gesagt hatte.
Revan lachte kurz, erwiderte aber nichts auf die Aussage.
Als Revan an seine Shorts griff, verschluckte sich Ryo und versuchte die Hustattacke zu unterdrücken. Nachdem er unter rot angelaufenem Gesicht den Husten wieder unter Kontrolle hatte, sah er zu Revan, der nun in Unterwäsche in seinem Bett lag und ihn anschaute.
,,Was machst du sonst noch so?", fragte der Rüde. Ryo überlegte, mit was er am besten antworten sollte. Um Zeit zu gewinnen, suchte er in seiner Tasche nach dem Schlafanzug.
,,Ich gehe gern schwimmen."
Zum zweiten Mal biss sich der Panther auf die Zunge für die unüberlegte Aussage.
,,Ich auch. Soweit ich weiß, gehen wir ja auch ins Freibad."
Innerlich fluchte Ryo, äußerlich fand er den Schlafanzug.
,,Schade, ich habe meine Badesachen vergessen."
Die perfekte Ausrede, dachte Ryo sich.
,,Ich habe noch eine Badehose als Ersatz dabei. Die kannst du nehmen", schlug Revan freundlich vor.
Ryo lächelte gespielt und begab sich ins Badezimmer, um sich umzuziehen. Er schloss die Tür ab und sah in sein Spiegelbild. Der Panther vergewisserte sich, dass das Rot in seinen Augen noch verdeckt wurde. Er nahm die Kappe ab, sodass die langen Haare hinab auf seinen Rücken fielen. Seufzend fuhr er mit einem Finger die Narbe auf der Brust nach und fragte sich, ob er jemals wieder reine, gesunde Haut ohne Narben haben würde.
Schnell zog er sich um, putzte sich die Zähne und verließ das Badezimmer. Er hatte sich extra einen langen Schlafanzug mitgenommen, sodass nicht mal nachts jemand seine Narben sehen könnte.
,,Du hast ja lange Haare", fiel Revan auf, als er die gesträhnten Haare sah, die knapp bis zu den Knien gingen.
Ryo ließ sich auf seinem Bett nieder, flocht sich die Haare zusammen und erwiderte: ,,Ja, ich mag lange Haare."
Revan fuhr sich mit der Pfote durch seine dunkelbraunen Haare, die nicht sonderlich lang waren.
,,Ich hatte die auch mal lang, aber sie sind zu wellig, daher hab ich sie mir, bis auf die eine Strähne im Nacken, kurz schneiden lassen."
Erst jetzt fiel Ryo der kleine Pferdeschwanz auf, der fast bis zur Taille ging. Es waren lediglich ein paar Strähnen, bei denen es sich gerade so lohnte, einen Haargummi zu verwenden. Die restlichen Haare lagen kurz und leicht gewellt in einer frechen Frisur auf dem Kopf.
,,Aber eine Frage hab ich noch", begann Ryo. ,,Warum bist du mit mir in ein Zimmer gegangen."
Revan verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sagte: ,,Weil ich dich kennenlernen wollte. In der Klasse hast du mit niemandem etwas zu tun und bist immer allein, da dachte ich, dass ich mich mal um dich kümmere. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand immer so mies drauf ist, also werd' ich das bei dir ganz schnell ändern."
,,Oh."
Der Schäferhund sprang aus seinem Bett und stemmte sich gegen das Gestell.
,,Was wird das?", erkundigte der Panther sich.
Revan schob das Bett weiter. ,,Nach was sieht's denn aus?"
Revans Bett stoppte, als es gegen das Gestell von Ryos Bett stieß. Der Schäferhund warf sich wieder ins Bett und grinste Ryo an.
Der Panther wusste nicht, was er sagen sollte und vergrub sein Gesicht unter der Decke.
,,Wenn wir Fußball spielen und schwimmen gehen, nehmen wir dich mit zu unserer Truppe. Die anderen Jungs sind gut drauf. Keine Sorge."
Ryo gab etwas unverständliches von sich und vergrub sich tiefer in der Decke.
,,Das wird die beste Klassenfahrt, die du je erlebt hast. Du wirst sehen. Schlaf gut."
Der Panther wagte einen Blick zu dem Hund, doch der lag mit dem Rücken zu ihm gewandt und schwieg. Er nahm den Geruch des Rüden durch die feine Nase auf und ließ sich von der Müdigkeit einlullen.