Fentilus Kapitel 1: Die Vorgeschichte
#1 of Fentilus
Als Fentilus seine blauen Augen blinzelnd öffnet, wird er bereits von der hereinstrahlenden Sonne geblendet. Verschlafen setzt er sich auf, reibt er sich seine Augen und macht einen Blick aus dem Fenster. Er merkt, dass die Mittagssonne bereits ziemlich hoch steht und entschließt sich während er herzhaft gähnt, nun doch endlich mal auf zu stehen. Seine weißen Pfoten durchstreckend tapst der junge Anthrowolf müde zu seiner Garderobe und entschließt sich, nachdem er noch einmal einen Blick nach draußen geworfen hat, nur eine leichte Lederweste an zu ziehen. „Endlich wird es etwas kühler" murmelt er leise und geht aus seiner Holzhütte hinaus. Dabei wird er bereits freundlich von seinen Nachbarn begrüßt, die bereits ihrer täglichen Arbeit nachgehen. Fentilus grüßt freundlich zurück und beschleunigt seinen Schritt etwas. Wie jeden Morgen ist der Wolf bereits spät dran und kommt mit einer großen Verspätung im Wald an, wo sein Lehrmeister bereits ungeduldig auf ihn wartet „Na, auch endlich da? Hast dir ja reichlich Zeit gelassen" Schnaufend schaut ihn Fentilus mit abgesenkten Ohren an „Ja, tut mir leid, ich hab mal wieder verschlafen. Das frühe Aufstehen ist einfach nichts für mich" Na wie dem auch sei," der Lehrmeister gibt ihm einen Zettel in die Pfote, „wir haben heute viel Arbeit. Wir brauchen heute alle Zutaten, die auf dem Zettel drauf stehen. Ich werde dir heute ein neues Rezept beibringen" Der Wolf nimmt den Zettel und schaut, was er alles sammeln muss... „drei Distelzweige, zwei Rosendornen, eine Hand voll Steinmoos, Beeren von der Stachelbeere... Wozu brauchen wir denn das alles?" „Das wirst du dann schon sehen, und nun beeile dich, du bist schon spät dran" der Lehrmeister dreht sich um und geht in die Höhle unter einem alten Baum, die ihnen als Labor und Testraum dient.
Leise grummelnd dreht sich Fentilus um und macht sich auf den Weg, die gewünschten Zutaten zu suchen. Doch das scheint heute nicht sein Tag zu sein. Nachdem er erst mal Ewigkeiten gesucht hat, bis er die erste Zutat gefunden hat und er sich bei den Rosendornen gestochen hat, rutscht er auch noch beim Pflücken der Distelzweige ab und schneidet sich in den Pfotenrücken. Fluchend steckt er die Sichel wieder ein und betrachtet wie sich das weiße Fell seiner Pfote langsam rot verfärbt, während er mit der anderen Pfote in seiner Westentasche rumkramt und ein paar blutstillende Kräuter hervorholt, die er sich auf seine Verletzung legt. Nachdem der Schmerz mit Hilfe der Kräuter langsam nachlässt, macht er sich wieder auf den weg, die restlichen Pflanzen zu finden. Als die Sonne bereits ziemlich tief steht, kommt der Wolf endlich zum versteckten Labor zurück und gibt seinem Lehrmeister die von ihm angeforderten Zutaten. Mit strengem Blick prüft der Alchemist die Pflanzen, ehe er sie auf den Tisch stellt „Ok, das sind alle Zutaten, die ich brauche, aber du hast dir ziemlich lange Zeit gelassen" er blickt Fentilus an „aber da es schon relativ spät ist, machen wir morgen weiter, wenn es für dich ok ist." Sofort nickt der Wolf bestätigend „Ja, sehr gerne." Noch während Fentilus seine Sachen zusammen packt, ist er bereits mit seinen Gedanken bei Kantaika, die er gleich bei der Waldlichtung treffen sollte.
Kennen gelernt hat er sie vor ziemlich genau einem Jahr. Damals wollte er sich nach der Arbeit im Labor an der Waldlichtung im Bach abkühlen, als ihm die braun/schwarze Wölfin dort über den Weg lief. Sie fanden sich sofort gegenseitig sympathisch und begannen intensiv zu flirten. Auch wenn er etwas später erfuhr, dass sie mit einem anderen Wolf aus dem Stamm verlobt ist, doch das hielt sie nicht davon ab weiter zu Flirten und fassten den Entschluss, sich auch weiterhin heimlich nach seiner Arbeit zu treffen und flirten, und Fentilus gab bis heute die Hoffnung nicht auf, doch mal mit ihr ein glückliches Paar zu werden.
Doch heute sollte alles anders kommen. Denn bereits als er an der Lichtung ankommt merkt er, dass Kantaika wie sonst üblich noch nicht da ist. Langsam geht er näher zum Felsen, wo sie immer flirten, während er sich umschaut, ob sie sich nicht dich irgendwo versteckt. Als er schließlich beim Felsen ankommt, sieht er daneben einen Zettel im Gras liegen. Neugierig hebt er ihn auf und beginnt ihn auf zu falten:
"Mein liebster Fentilus. Ich bin heute absichtlich etwas früher gekommen, um dir diese Nachricht zu hinterlassen. Nach langem hin und her überlegen hab ich mich dafür entschlossen, mich in Zukunft nicht mehr mit dir hier zu treffen. Du weißt ja, dass ich mit Ragnarok zusammen bin. Und da ich Angst habe, zu viele Gefühle zu dir aufzubauen, lass ich es lieber, um es noch rechtzeitig zu verhindern bevor es sich auf die Beziehung mit mir und meinem Verlobten auswirkt. Bitte sei mir nicht böse. Es war für mich selber eine schwere Entscheidung. Du wirst aber für mich immer etwas Besonderes bleiben. In verbotener Liebe, Kantaika."
Enttäuscht setzt sich der Wolf auf den Felsen und liest sich den Zettel wieder und wieder durch, wobei ihm Tränen die Schnauze herabrinnen. Er spürt plötzlich wie ein kühler Wind durch sein Fell weht und mit seiner Halskette spielt, der ihn frösteln lässt. Zitternd zieht er seine Weste enger an sich und schaut den Blättern zu, wie sie vom Wind über den Boden geweht werden, was in seinen feuchten Augen wie ein rot-gelbes Farbenspiel aussieht. Schließlich kann er sich nicht mehr zurückhalten, zieht er seine Beine an, drückt seine Schnauze gegen die Knie und beginnt über den Verlust seiner ersten großen Liebe zu weinen. Fentilus merkt gar nicht wie die Zeit verrinnt und als er von einem knackenden Geräusch aus seinen Gedanken gerissen wird, ist die Sonne fast schon unter gegangen. Nachdem sich der Wolf die Tränen aus den Augen gewischt hat, schaut er sich um, woher das Geräusch kam und sieht einen muskulösen, schwarzen Anthrowolf auf ihn zukommen. An seinen weißen Pfotenballen erkennt er sofort, dass es der Verlobte von Kantaika ist, der direkt zu ihm geht. Und noch ehe Fentilus reagieren kann, wird er schmerzhaft von Ragnarok's Faust auf der Schnauze getroffen und anschließend am Nacken gepackt und etwas hochgezogen. „Wo ist meine Verlobte?" hört er eine knurrende Stimme fragen. Winselnd hält er seine Schmerzende Schnauze und schaut mit abgesenkter Rute Ragnarok erschrocken an „Ich... Ich weiß nicht," er reicht ihm den Zettel, der er immer noch in seiner Pfote hält, „sie hat mir geschrieben, dass sie bei dir ist." Ragnarok nimmt den Zettel und lässt Fentilus los, um ihn sich sorgfältig durch zu lesen. Als er ihn fertig gelesen hat, dreht er sich zu Fentlius und gibt ihm den Zettel zurück „Ok, das ist wirklich von ihr," danach greift er in seine Oberschenkeltasche und holt ein anderes Stück Papier heraus, das er Fentilus reicht „zu mir hat sie das Geschrieben. Weißt du, was es da auf sich hat?" Fentilus nimmt verwirrt das Papierstück und liest ihn sich leise vor
„Hallo mein lieber. Ich muss dir leider beichten, dass ich mich seit einigen Monaten mit einem anderen Wolf regelmäßig im Wald treffe. Ich fürchte, dass ich mich in ihn verliebt habe. Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich glaube, ich werde mit ihm zusammen raus in die weite Welt gehen und ein neues Leben beginnen. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann einmal wieder. In liebe, Kantaika."
Seine weiterhin schmerzende Schanuze reibend schaut Fentilus seinen Wolf gegenüber an „Was ist da los?" „Keine Ahnung aber das hab ich vor heraus zu finden. Und du wirst mir dabei helfen, sonst wird die Schnauze nicht das einzige sein, dass dir weh tun wird" grummelnd dreht sich Ragnarok um und stapft zurück in die Stadt. Fentilus steht auf und tapselt dem kräftigen Wolf hinterher, während er die kräftigen Schwarzen Arme des Wolfes vor ihm betrachtet, die er sich im Laufe der Zeit als Schmied antrainiert hat. „Und wo willst du beginnen, sie zu suchen? Ich meine, wir wissen nur dass sie und diese beiden Briefe geschrieben hat." „Das weiß ich selber nicht,2 knurrt Ragnarok böse zurück, „aber ich werde mal zurück zu unserer Siedlung gehen und fragen, wer sie zuletzt gesehen hat." Fentilus nickt nur und folgt ihm nickend, während er langen Schatten betrachtet, die von der bereits tiefstehenden, rot leuchtenden Abendsonne geworfen werden.