Drachenherz Teil 53
#25 of Drachenherz Teil 29-58
In ihrer Heimat angekommen begaben Alice und Ryu sich erst einmal zu ihren Eltern, wohin sie Rieder ebenfalls mitnahmen. Dort erzählten sie, was sie in den letzten Monaten erlebt hatten und weswegen sie nun hier seien. Und obwohl Alices Eltern strikt dagegen waren, dass ihre erst fünfzehnjährige Tochter in den Kampf zieht, lies sie sich nicht umstimmen in ihrem Entschluss.
„Ich lasse meine Freunde nicht alleine kämpfen während ich mich hier verstecke und zusehe!", sagte sie entschlossen. Ihre Mutter blieb weitgehend still, während ihr Vater noch immer versuchte, sie umzustimmen. „Willst du sterben, Alice? Willst du das mir und deiner Mutter antun?", fragte er sie verzweifelt. Plötzlich stellten Ryu und Rieder sich neben Alice und sagten:"Sie kämpft nicht alleine, wir kämpfen an ihrer Seite."
Er sah die beiden jungen Männer, die ebenfalls nicht zurückschreckten vor dem nahendem Unheil ins Gesicht. „Das oberste Gebot eines Clans ist es, dass alle zusammen halten: einer für alle, alle für einen!", sagte Rieder entschlossen. Sein Gesicht, dass er schon seit längerem nicht mehr vermummt war strahlte einen Mut aus, der Alices Vater irgendwie beruhigte.
Er setzte sich wieder neben seine Frau, schaute einen Moment lang aus dem Fenster hinaus in die Stadt und sagte dann:"Also gut, du kannst gehen. Aber versprich mir ein´s Alice." „Was denn Papa?" „Komm nach Hause wenn alles vorbei ist." Alice ballte eine Faust und versprach dann:"Keine Sorge, dass werde ich!"
Zuhause bei Ryu war das Gespräch mit dessen Eltern bezüglich des Themas, dass Ryu in den Kampf zieht etwas entspannter als bei Alice. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater waren der Meinung, dass Ryu losziehen soll. „Solange du uns in einem Stück nach Hause kommst ist alles in Ordnung.", meinte sein Vater nur lachend. „Ist es ihnen denn egal, was Ryu geschieht?", fragte Alice seinen Vater.
„Keineswegs, natürlich machen wir uns Sorgen um unseren kleinen Ryu.", antwortete die Mutter. „Aber wenn wir uns zu viele Sorgen machen, bekommt er Angst und kann sich nicht mehr richtig konzentrieren." „Ich weiß, dass sie sich Sorgen machen. Aber wenn Sie sie dauern zeigen färbt das auf mich ab und ich fange an, den Blick auf die Gesamtsituation zu verlieren.", fügte Ryu hinzu.
Rieder sagte dazu nichts sondern nickte nur. „Und gerade deswegen bin ich auch so voller Zuversicht, dass wir es schaffen werden. Denn dann brauche ich mir um ihre Sorgen keine Gedanken zu machen.", sagte Ryu lächelnd. „Außerdem ist er ja nicht allein da draußen oder?", fragte sein Vater Alice und Rieder, die als der Blick auf sie fiel aufschreckten.
„Keine Sorge, wir werden an seiner Seite kämpfen.", meinte Alice als sie sich wieder beruhigte. Auch Rieder versprach dies. „Zudem weil ich selber auch mitkämpfen werde.", sagte Ryus Vater grinsend. „Was?", fragte Ryu erschrocken. „Aber natürlich. Schließlich sollst du ja noch was lernen oder?", antwortete sein Vater. „Und was lernen?", fragte Ryu erneut.
„Wie du deine Drachen kontrollierst, dass sollst du lernen.", antwortete sein Vater und schaute auf seinen rechten Arm. Die Stille, die sich dann im Zimmer bildete beendete Alice damit, dass sie jetzt gerne mit den anderen beiden in die Stadt gehen würde um zu sehen, wie sich alle darauf vorbereiten. Sie verliesen das Haus und gingen in die Stadt. Ryu fasste sich an seinen rechten Arm und knirschte etwas mit den Zähnen.
„Was hast du?", fragte Alice ihn vorsichtig. „Es ist....ach, ich weiß auch nicht wirklich. Es ist einfach...er hat recht, ich brauche wirklich noch mehr Training mit diesen Drachen.", antwortete er leicht traurig. „Schließlich kann er sechs auf einmal rufen und ich nur einen!" Er seufzte kurz, Rieder klopfte ihm auf die Schulter und munterte ihn auf:"Macht dir nichts draus. Du bist ein guter Kämpfer, auch ohne diese Drachen." Ryu lachte auf und bedankte sich für diese Worte.
In der sonst geschäftigen Innenstadt Biyoris, die sonst immer voller Händler, Einkaufenden, Reisenden, Beamten und sonstigen Bewohnern und Besuchern der Stadt gefüllt war herrschte eine gewisse Ruhe, wie vor einem nahendem Sturm. Ryu, Alice und Rieder gingen durch die Straßen und sahen nur wenige geöffnete Läden. Außer einigen Lebensmittelläden waren alle anderen Geschäfte geschlossen.
„Scheinbar hat nur noch das nötigste geöffnet.", schlussfolgerte Alice im Gedanken. Überall gingen Soldaten vorbei, die Leute auf den Straßen hatten zwar noch eine gewisse gute Laune, doch war sie nicht so feierlich wie wenn noch kein Krieg kam. „Dieser Krieg beginnt die Leute langsam zu verängstigen; und das obwohl er noch nicht einmal wirklich begonnen hat!", meinte Ryu verärgert.
„Die Angst vor dem Krieg ist meist schneller als der eigentliche Krieg.", erwiderte Rieder gefasst. „Besonnenheit, Entschlossenheit und ein Lächeln reichen meist, um diese Angst weichen zu lassen." Sie gingen weiter als an ihnen plötzlich eine Gruppe Schüler mit den selben Uniformen, wie Ryu und Alice sie tragen vorbeiging. „Hey, seit ihr von außerhalb?", fragte einer der Schüler sie plötzlich. Ryu schaute ihn an.
Er war ein Hirsch mit einem noch kleinen Geweih auf dem Kopf. „Zum Teil ja, zum Teil auch nicht.", antwortete Ryu, was Alice dann genauer erklärte. Der Hirsch machte große Augen als er hörte, dass die beiden zu einem Clan gehören. „Ist ja cool! Muss bestimmt einen riesigen Spaß machen, so in ´nem Clan mit anderen Leuten zu leben.", meinte er freudig. Als er das Lächeln im Gesicht des Hirsches sah begann Ryu ebenfalls zu Lächeln.
Er war froh, dass wenigstens diese Gruppe von Schülern lächelte und das obwohl sie womöglich bald um ihr Leben kämpfen müssen. Bei dieser Vorstellung wurde ihm plötzlich ganz anders. Er wusste ja, dass die Soldaten und viele Erwachsene die Stadt verteidigen würden, aber was war mit den Schülern? In den Schulen lernen sie zwar das Verwenden von Zaubern, Kampftechniken mit allen möglichen Waffen aber bei dem Gedanken, dass sie diese Sachen gegen eine blutrünstige Horde Sergalen und was sonst noch alles aus dem Norden kommen könnte einsetzen müssen würde ihm zum Teil schlecht.
Der Hirsch schaute ihn an und fragte, was mit ihm los sei. „Ach nix, hab heute morgen wohl was falsches gegessen.", antwortete Ryu, wobei Alice und Rieder sofort merkten, dass er gelogen hatte. „Na dann, ich muss dann wieder. Wir sehen uns!", verabschiedete der Hirsch sich. „Ach und übrigens: ich heiße Allen, wie heißt ihr denn?" Die drei stellten sich vor, Allen nickte dankend und ging dann mit seinen Freunden um die Ecke vom Platz weg.
„Kaum zu glauben: schon bald wir die Stadt angegriffen und sie tun so, als wäre nichts.", meinte Ryu klagend. „Sie tun genau das Richtige: nicht an das kommende denken sondern die Zeit bevor es geschieht genießen.", erwiderte Rieder ihm. Verärgert drehte Ryu sich zu Rieder um und sagte:"Hör auf, so was zu sagen! Ist dir eigentlich klar, dass sie sterben könnten?!?"
Rieder verzog nicht die Miene, als er sich so von Ryu hat anschreien lassen. Alice sah die beiden an und war vor lauter Angst, etwas falsches zu sagen stumm geblieben. „Ryu, glaubst an deine Freunde?", fragte Rieder ihn plötzlich. Aufgeschreckt beantwortete Ryu diese Frage mit einem Ja; „Das ist gut zu wissen. Noch bis vor kurzem hatte ich kein Vertrauen in andere Leute, geschweige denn in das, was ihr „Freunde" nennt. Bertram war der einzige, zu dem ich eine gewisse Art der Freundschaft aufbaute, die aber nur daraus bestand, dass wir gemeinsam durch das Land zogen.
Erst als wir uns eurem Clan beitraten und ich in gewisser Weise aus meinem alten Weltbild „heraus geschmolzen wurde erkannte ich, was Freundschaft und Liebe für eine Kraft haben.", erwiderte Rieder langatmig. „Es tut mir leid, Rieder. Es ist ist halt nur...", stotterte Ryu dann vor sich hin, als Rieder und Alice ihm auf die Schultern klopften. „Solange du Freunde hast wirst du immer gewinnen.", munterte Alice ihn auf. „Danke ihr beiden.", bedankte Ryu sich und sie gingen dann weiter durch die Stadt.
Am Abend ging Alice zu sich nach Hause, während Rieder mit zu Ryu ging. In dessen Zimmer saßen sie eine Weile nur da. „Rieder.", fing Ryu ein Gespräch mit dem auf dem Boden sitzenden Rieder an. „Ja was ist?", fragte er zurück. „Wie war es eigentlich mit Natsu.....nun....", stotterte er leicht rot werdend. „Ganz allein zu sein?" Bei dieser Frage schreckte Rieder innerlich auf.
Warum stellte er eine solche Frage? Unsicher, was er sagen sollte erzählte Rieder es einfach so wie er es empfand. Er erzählte von einer unglaublich angenehmen, zu Beginn teilweise schmerzenden, dann immer liebevoller werdenden Flamme, die seinen Körper berührte, als wäre er direkt in ein Feuer gesprungen und es würde ihn nicht verletzen. „Anfangs war mir dieses Gefühl so fremd wie mir die Kälte des Winters nahe stand, doch dann, an dem Moment wo ich erkannte, was mit mir geschah begann, von Grund auf zu verändern." , erzählte er.
„Du meinst damit die Zeit, die du in dem Turm warst oder?", fragte Ryu ihn, was Rieder mit einem Nicken beantwortete. „Du musst es dir so vorstellen: mein ganzes Leben bestand daraus, zu keiner anderen Person, egal wie sehr sie mich mag oder gar liebt eine Beziehung aufzubauen, denn daraus resultiert eine Sorge um das Wohl dieser Person.
Doch als Natsu sich mir auf diese Art und Weise näherte und mir diese...starken Gefühle seinerseits für mich zeigte wurde mir klar, dass ich nicht so weiterleben kann wie ich es in den vergangen Jahren tat.", erklärte er und fragte dann, warum Ryu ihn dies fragte. „Nur so aus Neugierde, sonst nichts.", antwortete Ryu sofort und kratzte sich dabei am Hinterkopf. An dem Gesicht, dass er dann nach einem kurzen Lachen machte erkannte Rieder, warum er ihn das fragte. „Jetzt bin ich dran: was ist zwischen dir und Shadow?", fragte er im selben ruhigen Tonfall wie er Ryus Fragen beantwortete.
„Zwischen mir und Shadow? Wie meinst du das?", fragte Ryu ihn. „Jedes mal, wenn ihr beide zusammen seit oder wenn ihr von einer Mission zurückkommt bekomme ich so ein merkwürdiges Gefühl.", antwortete Rieder. „Das muss daran liegen, dass Shadow und ich beste Freunde sind. Außerdem trägt jeder von eine Hälfte eines Drachenherzens, dass wir beide fanden als Kette um den Hals.
Außerdem passt Shadow immer auf mich auf, wenn mir etwas passieren sollte.", erzählte Ryu. „Verstehe.", meinte Rieder nickend. „Aber manchmal ist es so, dass ich wenn ich schlafe Shadow in meinen Träumen begegne. Klingt komisch oder? Wir sind so dicke Freunde, dass ich ihn in meinen Träumen sehe. Manchmal passiert Shadow das gleiche: in seinen Träumen begegnet er mir und selbst da passt er auf mich auf und beschützt mich.", erzählte Ryu noch.
„Und es ist noch immer ein komisches Gefühl denn jedes mal, wenn ich in Shadows nähe bin spüre ich eine seltsame Art der Verbundenheit, von dem Drachenherzen ausgehend." Neugierig schaute Rieder Ryu an. Zum ersten mal hörte von einem solchen Verbindung zweier Personen. „Du siehst ihn in deinen Träumen?", fragte er ihn. „Erst seit kurzem. Und nicht nur ihn; manchmal treffe ich auch Natsu, was mich noch mehr verwirrt wenn ich aufwache und ihm am nächsten Tag sehe.
Ich fühle mich ganz aufgeregt, mein Herz schlägt ganz wild und dann, dann kommt Shadow um die Ecke und ich verfalle in eine Art Wahnsinn, ausgelöst von den beiden. Aber das ist erst seit einigen Wochen so.", antwortete Ryu und packte sich dabei an die Brust, als würde sein Herz wieder wie verrückt schlagen. Und obwohl jeder andere bei dem, was Ryu da über Natsu erzählte, wie er scheinbar für ihn schwärmte und das wohl seit längerem blieb Rieder ruhig und gelassen, denn er hatte Vertrauen in Natsu.
Daraufhin legten die beiden sich auf ihre Betten und schliefen dann auch recht schnell ein.
Alice saß auf ihrem Bett, den Pyjama bereits angezogen. Sie freute sich, endlich wieder daheim in ihrem eigenen Bett zu sein, doch irgendwie verflog diese Freude als sie wieder an das kommende denken musste. Plötzlich schüttelte sie den Kopf und sagte sich:"Ich bin alt genug um zu wissen, dass mir nichts schlimmes passiert, solange ich meine Freunde habe!"
Sie stieg aus ihrem Bett, ging zu dem kleinen Bücherregal in der Ecke und nahm eines der Bücher heraus. Das interessante daran war jedoch, dass dies kein Buch zum lesen war, sondern war es ein Malbuch! In Erinnerungen an ihre Kindheit und leicht seufzend blätterte sie jede Seite des Buches um. Sie hatte alle Bilder komplett ausgemalt, keine Stelle ausgelassen, keinen Rand übermalt und immer die passenden Farben benutzt.
Als sie mit dem Buch fertig war, legte sie es zurück ins Regal und legte sich wieder in ihr Bett. Sie wickelte sich in die Decke, atmete entspannt ein und aus und schlief dann seelenruhig ein.
Der nächste Tag brach heran und mit dem öffnen der Fenster schreckte Ryu, der sich auf Sonnenstrahlen am morgen freute auf als er in einen heftigen Regenschauer blickte. Er lies den Kopf sinken, merkte das Rieder von dem lauten Regen prasseln geweckt wurde und blieb einen Moment lang still.
Er lies Rieder hinaus schauen; „Warum regnet es? Gestern war doch noch so ein gutes Wetter.", fragte er entsetzt. Noch immer blieb Ryu still, denn er wusste, was ein solches Wetter in Biyori bedeutete. „Hier in Biyori bedeutet ein solches Wetter meist, dass ein Unheil naht.", erzählte er. Normalerweise hätte Rieder das als ein Märchen abgetan, doch da er genauso wie Ryu und Alice wussten, was mit diesem Unheil gemeint sei, glaubte er dem Wetter und schloss das Fenster.
Fortsetzung folgt.....