Part 1 - Versteckspiel
#2 of Schatten der Vergangenheit
Schatten der Vergangenheit
(© Larc)
Part 1
Versteckspiel...
Schatten der Vergangenheit (© Larc)
Part 1 Versteckspiel
Silbrig schien der Mond in sternenklarer Nacht. Ruhe hatte sich über die Ebene gelegt und alles Leben schien zu schlafen. Der Wind sang sein flüsterndes Lied, als er die herbstlich kahlen Äste der Bäume umspielte, welche wie knöcherne Finger in den Himmel ragten. Vom Hauch erfasst tanzten gefallene Blätter über den abgelegenen Pfad, der sich den bewaldeten Hügel hinauf schlängelte. Raschelndes Laub brach die Stille, als es unter den Füßen eines einsamen Wanderers zertreten wurde. Pirschenden Schrittes folgte die hochgewachsene Gestalt dem spärlich befestigten Weg durch die ansonsten unberührt wirkende Hügellandschaft. Ein robenartiger Mantel umhüllte die breiten Schultern. Die Kapuze, in deren Schatten rote raubtierhafte Augen das Mondlicht matt reflektierten, hatte er zum Schutz vor der klammen Umarmung des Herbstwindes tief über das Gesicht gezogen.
Anmut und Stolz lag in der Haltung der Gestalt. Ein langer, reptilischer Schweif, welcher aus dem für ihn zugeschnittenen, dunklen Gewand herausragte, balancierte seinen Gang mit sanften, pendelartigen Bewegungen. Sein Blick wanderte wachsam durch das Dickicht, welches den Weg zu beiden Seiten säumte. Innehaltend um konzentriert zu lauschen, legte er den Kopf leicht in den Nacken und richtete seine Schnauze etwas gen Himmel. Die Nüstern flackerten im Versuch eine Witterung aufzunehmen und züngelnd testete er die Luft. Wohl wissend, dass neugierige Augen ihn beobachteten. Blicke, welche fast wie ein Prickeln auf seiner Haut spürbar waren.
Ein leises Rascheln hinter ihm, ließ ihn herumwirbeln. Zu schnell, um sie mit dem Auge wahrzunehmen, war das kleinen Geschöpf, welches den Weg huschend überquerte und zwischen den Bäumen zur anderen Seite verschwand.
„Synthia?"
Die Stimme des verhüllten Drachens klang kraftvoll und tief, jedoch lag auch Besorgnis darin. Ein mädchenhaftes Kichern erklang leise auf seinen Ruf. Der Versuch, dem Geräusch zu folgen blieb erfolglos und so verharrte er mit geschärften Sinnen in seiner Position.
„Es ist schon spät und deine Eltern sorgen sich sicher schon um dich." fuhr er fort und seine Worte wurden nur durch Stille beantwortet. Ein resignierender Säuftzlaut entfuhr seiner Kehle und nach endlos scheinenden Momenten des Wartens formte sich eine Idee in seinem Geist. „Ich habe mich verlaufen!" begann er und zwang sich einen hilflos wirkenden Ton anzuschlagen. "Komm mit mir nach Hause. Es ist kalt und finster hier und du kennst den Wald wie niemand sonst." Voller Ungeduld verdrehte er die Augen. Das Spiel, welches das Mädchen mit ihm trieb, begann ihm auf die Nerven zu gehen.
„Der große Wanderer, weiß und rein, möchte nicht alleine sein."
Die flüsternde Stimme erklang in seinem Rücken und erneut hörte er das kindliche Lachen. Gefolgt von schnellen, emsigen und kaum wahrnehmbaren Schritten, welche sich entgegen seiner Blickrichtung leicht abseits des Weges von ihm entfernten. Herumwirbelnd begann er hastig, den Geräuschen zu folgen. Den Blick dabei stets auf den Wegrand gerichtet, doch er konnte ihre Gestalt in der Finsternis nicht ausmachen. Die sanften Trittgeräusche schienen langsamer und leiser zu werden, bevor sie komplett verhallten und ihn erneut in ummantelnder Stille zurück ließen.
Die Augen des Drachen Weiteten sich und fokusierten den vermeintliche Ursprungsort des letzten Geräusches . Den beschleunigten Atem unterdrückend, verließ er den Weg und pirschte wie ein Raubtier auf der Suche nach Beute nährer an jenes Gebüsch . Beinahe lautlos trat er heran und drückte das Geflecht von dünnen Zweigen mit beiden Händen auseinander. Unmut kochte in ihm auf, als er nur Leere vorfand.
Raschelnd kehrte das Gestrüpp in die Ursprungsform zurück, als er sich davon abwendete. Die wild zu lodern scheinenden Augen in die Dunkelheit gerichtet, fasste er sich mit einer Pranke an die Stirn und fuhr mit deren Fingern tief unter die Kapuze. Diese glitt über die glatten Schuppen seines Schädels hinab und fiel in seinen Nacken, während er seinen Blick senkte. Die andere Hand zur Faust geballt und zähneknirschend, konnte er einen in seiner Kehle aufkeimenden Knurrlaut nicht unterdrücken. Deutlich war zu erkennen, dass sein Geduldsfaden langsam anfing, rissig zu werden. „Na schön..." Ein beängstigender Ton lag in seiner Stimme und er nahm einen tiefen Atemzug, um sich etwas gemäßigter fortfahren zu können.
„Na schön du hast gewonnen! Komm raus oder bleib hier! Zum Teufel! Ich werde nun zurück gehen!" Erbost war er bereit, das letzte Mittel zu ziehen, um ein unfolgsames Kind gefügig zu machen. Sie würde schon bemerken, dass es ihm ernst war, wenn sie erst einmal eine Weile alleine in der Finsternis verbracht hätte. Weit würde er sich nicht entfernen. Nur eben weit genug, um sie zur Vernunft zu bringen und das Versteckspiel bleiben zu lassen. Bestimmten Schrittes bahnte er sich den Weg zurück zum Pfad, wo er noch einmal inne hielt, um der Stille seinen Worten Nachdruck verleihen zu lassen. Dann setzte er sich gemächlich in Bewegung und folgte der Richtung, aus der er gekommen war. Die Augen auf den Boden gerichtet, zwang er sich, nicht zurück zu sehen. Lauschend schritt er voran, doch sie schien keine Reaktion zu zeigen.
„Vergessen hat er was einst geschah, als er noch selbst ein Jüngling war. "
Der weiße Drache erstarrte in seiner Bewegung und seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen.
„Was weißt du schon? Hör endlich mit deinen albernen Versen auf!" knurrte er über die Schulter hinweg in die Dunkelheit hinein. Ein Unterton lag im kindlichen Flüstern, welcher in seinem Schädel nach hallte und zu einem Dröhnen anschwoll. Der pochende Ton ließ ihn mit schmerzverzerrter Mine in die Hocke gehen und er vergrub sein Gesicht in den Flächen seiner Pranken. Verzweifelt versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen. Bilder vergangener Zeiten rasten in Sekundenschnelle durch seinen Geist, doch sie verschwammen zunehmend, je weiter er versuchte zurück zu reichen. Innere Leere umfing ihn und der Ton in seinem Geist schien ebenfalls zu verebben. Wie ein verstörtes Kind wippte er in der Hocke und ließ langsam die Pranken über seine Schnauze hinab gleiten.
Ein schriller Schrei voller Panik und Angst fuhr ihm tief ins Mark. Vor Schreck zusammen zuckend, verlor er das Gleichgewicht und landete rücklinks auf seinem Gesäß. Er riss die Augen auf. Sein Herz raste in seiner Brust und seine Lippen begannen sanft zu beben. Nicht vor Entsetzen, sondern vor blankem Zorn. Sein Blick fiel auf ein Paar von kleinen, weißen Katzenpfoten, wanderte hinauf an dem sichtbaren Bereich ihrer Beine, welche von schwarzen Fell bedeckt waren und unter einem sehr mädchenhaft geschneiderten Kleid hervorragen. Es war in einem satten Grünton gehalten, welcher aber in der Finsternis kaum zur Geltung kam. Letztendlich fixierte er ihr schwarz weißes Gesicht. Die Nase und ihr Blick war schüchtern gesenkt, als würde sie versuchen, dem Blickkontakt auszuweichen. Völlig unversehrt stand sie vor ihm. Die Mundwinkel deuteten ein Lächeln an und ihre smaragdgrünen Augen blitzten frech und amüsiert über den Schreck des Albinos.
Ein Repertoire aus Schimpfwörtern lagen ihm auf der Zunge und er musste sein drachisches Temperament mühseelig im Zaum halten, damit diese nicht aus ihm heraus sprudelten wie ein Wasserfall. „Mach das nie wieder!" knurrte er sie stattdessen an.
„Aber... aber.. Larc. Du kannst noch nicht gehen!" stammelte Synthia eingeschüchtert. „Ich muss dir unbedingt was zeigen!" Aufgeregt wollte sie schon wieder an ihm vorbeihuschen, doch der Albino packte ihren Arm. „ Ich dir auch und zwar den Heimweg! Es reicht! Ich bin dir lang genug hinterher..."
"Fühlte sich so ganz allein, Ach er war ja noch so klein. Er weiß nicht mehr was einst geschehn. Der stumme Zeuge hats gesehn."
Unwohlsein und Kälte fuhren durch den Leib des Drachen, als ihr nachhallendes Flüstern erneut in das dröhnende Geräusch verebbte, welches seinen Geist erfüllte. Genauso intensiv, doch kurz anhaltender als zuvor, reichte es aber dennoch dafür aus, dass sich das Katzenmädchen aus seinem sich lösenden Griff befreien konnte.
„Komm!" flüsterte sie leise. „Er wartet schon auf dich."
Schnelle, leichtfüßige Schritte entfernten sich raschelnd in dem von Laub bedeckten Waldboden hinein. Der seidene Faden seiner Geduld riss und entlud sich in einem wutentbrannten Knurren. „Ich hab die Schnauze voll von deinen dämlichen Spielchen!" brüllte er in die Stille hinaus und richtete sich dabei auf. „Weiß deine Mutter, dass du dich hier des Nachts mit zwielichtigen Gestalten triffst?" Die Worte verhallten und es erfolgte keine Antwort. „Na schön! Zeig mir deinen rosa Elefanten und dann geht es ab nach Hause!" Seine Geduld neigte sich dem Ende und er trat entschlossen hinein in die Finsternis des Unterholzes abseits des vom Mondlicht spärlich beleuchteten Weges. „Wenn es sein muss, zieh ich dich an den Ohren dort hin!" schimpfte er im Flüsterton vor sich hin, während er mit scharfen Sinnen ein leises, entferntes Rascheln vernahm, welches die gespenstische Stille durchbrach. Mit aufkeimendem Unwohlsein folgte er der Richtung, aus dem das Geräusch entsprungen war mit langsamen, vorantastenden Schritten und verfluchte dabei innerlich die sieben Teufel, welche ihn dazu geritten hatten, sich auf die Suche nach dem kleinen Mädchen einzulassen.